Einleitung
Die Planung
Im dunklen grauen Leipziger Winter 2022 saß ich mit einem segelnden Freund beim Bier in einer Kneipe. „Wir müssen mal zusammen einen Segeltörn planen“. Und das war quasi der Startschuss für unseren Ostseetörn. Schnell hatte ich auch noch meinen Freund Martin für die Teilnahme überredet. Meine Frau zeigte auch Interesse und damit war unsere 4er-Crew komplett.
Als Starthafen entschied ich mich für Großenbrode. Dort hat der große Vercharterer Mola eine Basis. Wichtig war mir, die Möglichkeit einer unkomplizierten Anreise mit Auto. Im Hafen Hohe Düne in Warnemünde ist das immer ein Problem. In Großenbrode war ich außerdem 2022 als Crew Mitglied schon einmal gewesen. Ein angenehmes Gefühl, wenn man als Skipper in einem vertrauten Hafen startet.
Beim Boot entschied ich mich für eine Bavaria 37. Von der Größe völlig ausreichend und finanziell noch bezahlbar für uns. Ein größeres Schiff hat einen höheren Mast (Problem mit der Fehmarnsundbrücke), mehr Tiefgang (gerade in Dänemark ist es stellenweise sehr flach) und hat mehr Breite (Probleme eine passende Box zu finden).
Törnziel war die sogenannte Dänische Südsee Nordwestlich von Fehmarn. Natürlich nur, wenn der Wind das zulässt.
Die Monate vergingen und ich bereitete mich auf den Törn vor. Abends zoomte ich auf meinem Tablet durch die Seekarten und schaute mir Häfen, Untiefen und Sperrgebiete an. Dazu gehörte auch ein kurzes Training an der Papierseekarte. Seit meinem SSS war ich rein elektronisch unterwegs, aber die Papierseekarte ist ein gutes Backup, wenn etwas richtig schiefläuft.
Überraschung!
2 Wochen vor Törn Antritt kam dann eine schlechte Nachricht. Der Freund, mit dem ich damals beim Bier den Törn geplant hatte, musste wegen einer Hochzeit in der Familie absagen.
Jetzt stand ich vor einer großen Herausforderung. Das Crewmitglied mit der größten Segelerfahrung war weg. Außerdem wollten wir mit seinem Auto zusammen zur Ostsee fahren. Der Transport stand also auch in den Sternen. Auch menschlich riss das eine riesige Lücke. Ich wollte ja nicht mit irgendjemanden Segeln, sondern genau mit ihm.
Skipper Marcus musste sich also auf die Suche nach einem neuen Mitsegler/Mitseglerin begeben. Dazu fragte ich zuerst im engen Freundeskreis nach. Mehrere Leute waren sehr interessiert, konnten aber aufgrund des Jobs so spontan keinen Urlaub nehmen. Also erweiterte ich den Kreis und kontaktierte auch Bekannte und Kollegen. Als das nicht funktionierte, ging es weiter zu Plattformen wie: Hand gegen Koje oder Kleinanzeigen.
Eine Woche vor dem Törn konnte meine Frau mit Julian noch einen ehemaligen Kollegen für die Teilnahme begeistern. Julian war letztes Jahr schon einen Tag mit uns auf meiner Neptun 22 gefunden. Wir kannten uns also immerhin schon ein bisschen. Stein vom Herz gefallen! Crew wieder aufgefüllt.
Kurz nach dem ich Julian zugesagt hatte, erhielt ich über Hand gegen Koje noch eine nette Nachricht aus Berlin von Anna. Aus der Nachricht ging hervor, dass sie bereits eine Atlantiküberquerung hinter sich hat. Außerdem Jollen Erfahrung, SBF-See und ein Skipper Training absolviert. Die Nachricht weckte definitiv unser Interesse (wir haben das gemeinsam in der Crew besprochen).
Die 3 Kabinen waren mittlerweile leider schon voll. Ich bot deshalb eine Salonkoje ohne Charterkosten aber Beteiligung an der Bordkasse an. Nach einem 40-minütigen Gespräch fiel die Entscheidung: Anna kommt mit! Plötzlich waren wir also zu 6.
Für die Anreise konnte ich das Auto von meinem Opa freundlicherweise organisieren. Ich war auf diesem Törn also auch der Autofahrer.
Anreisetag
Anreise aus Leipzig
Ende Mai 2023 war es dann soweit:
Von Leipzig aus ging es mit dem vollgepackten Mondeo MK3 nach Norden. Sogar die Fußräume waren vollgestopft. Die Fahrt verlief positiv. Auch für mich als Fahrer verging die Zeit bei den vielen Gesprächen an Bord angenehm schnell.
Anna
Mit Anna hatten wir ausgemacht, dass wir sie an der Haltestelle abholen würden. Das konnten wir aber nicht direkt erledigen, da weder Sitzplatz noch Platz für Gepäck frei waren. Also erstmal die beiden Jungs in Großenbrode am Hafen neben dem Spielplatz abgesetzt.
Mit dem Auto ging es zum nahgelegenem Abholort für unsere Mitseglerin. Damit das ganze etwas vertrauenswürdiger aussieht, kam meine Frau auch zum Abholen mit. Könnte sonst vielleicht etwas komisch sein dachte ich mir. Die Begrüßung war sehr herzlich und das Eis schnell gebrochen. Irgendwann fragte ich dann: „Bist du Anna“? Ich fand die Vorstellung lustig, dass wir mehrere Tage zusammen segeln und sich dann herausstellt, dass wir die falsche Person mitgenommen hatten. Dieser Verdacht erhärtete sich zum Glück nicht.
Die im Hafen zurückgelassenen Crewmitglieder fanden wir gut gelaunt auf der Schaukel vor.
Bootsübergabe
Die Bootsübergabe im Büro von Mola verlief wie erwartet. Alle Befähigungsnachweise vorlegen, Kreditkarte für die Kaution und allerhand Formulare. Den Schiffsnamen bekamen wir auch gleich mitgeteilt: „Messers“. Eine nagelneue Bavaria 37.
Bis wir dann unser Schiff wirklich betreten konnten, verging noch einige Zeit. Als es dann endlich so weit war, betrat ich die „Messers“ mit meiner Co-Skipperin zuerst alleine. Wir mussten die gesamte Ausrüstungsliste kontrollieren und die Position der Seeventile etc. feststellen. Natürlich fehlen dabei immer Gegenstände, die sich nach langer Suche doch noch einfinden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man für die Übergabe die Crew besser noch kurz vor dem Schiff warten lässt. Es entsteht sonst viel ablenkende Unruhe. Andererseits mache ich diese Kontrolle der Ausrüstungsliste nie alleine, damit noch eine weitere Person die Position der Ausrüstungsteile kennt. Ich kann auch etwas vergessen bzw. bin in einem Notfall vielleicht anderweitig beschäftigt oder selbst der Notfall.
Als die Crew dann an Bord kam, war die allgemeine Begeisterung sehr schön. „Wow so ein schönes neues und großes Boot für uns allein“ war die einhellige Meinung. Gerade einmal 30 Motorstunden standen auf der Uhr. Das bedeutet, dass wir wahrscheinlich die erste Urlaubscrew an Bord waren. Alles glänzte nagelneu.
Proviant
Nachdem alle Taschen an Bord waren, ging es auch schon weiter zum Großeinkauf bei LIDL. Ich muss mich an dieser Stelle mal outen: Ich hasse diese Törneinkäufe. Eine riesige Schlange Einkaufswagen und mega viele Entscheidungen z.b. „Welchen Frischkäse oder Wein nehmen wir?“ Ich hatte mich deshalb bei dem Einkauf etwas im Hintergrund gehalten und stand nur beratend zur Verfügung. Als Skipper hatte ich ja so schon genug Themen im Kopf. Die Crew hat den Einkauf total gut eigenständig organisiert.
Die Verladung der Einkäufe ins Auto war eine große Herausforderung. Zusätzlich zu den ganzen Einkäufen waren auch noch 5 Personen zu befördern. Ich bin mir sicher, dass in Opas Mondeo noch niemals mehr Gewicht befördert wurde. Viel Platz war in Radkästen jedenfalls nicht mehr und im Innenraum blieb kein Zentimeter ungenutzt.
Nach dem Abendessen an Bord gab es von mir noch eine Sicherheitseinweisung.
Tag 1: Von Fehmarn nach Heiligenhafen
Ich hatte mir den ersten Tag eigentlich so vorgestellt, dass wir es erstmal langsam angehen und gemeinsam das Boot kennenlernen. Ich wollte damit beginnen östlich von Großenbrode ein paar Manöver unter Motor und unter Segeln zu fahren. Der Wind macht meiner schönen Planung einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.
Es blies mit 20 kn aus Nord also gegen an. Das ist eigentlich kein Wind, vor dem man Angst haben muss. Für eine neue Crew mit einem neuem Schiff am ersten Tag aber schon eine Herausforderung.
Das „Boje über Bord“ Manöver unter Motor glückte mir erst beim 3ten Versuch. Die Wellen hatten mir den Fender jedes Mal im letzten Augenblick „wieder vom Löffel genommen“. Ich ärgerte mich innerlich und es war mir auch etwas peinlich. Ich hatte die Befürchtung, dass das Vertrauen der Crew in meine Fähigkeiten darunter leiden könnte. Das war zum Glück nicht der Fall, dafür zeigten sich alle sehr beeindruckt und sensibilisiert, wie schwer es ist, einen MOB wieder an Bord zu bringen.
Mein Plan war gewesen, dass jeder das MOB Manöver unter Motor mal fährt. Durch den Wind stand schon etwas Welle und ich wollte die Mägen nicht unnötig strapazieren. Wir kreuzten uns deshalb nach Norden in Richtung Fahrwasser zur Femarnsundbrücke. Einige Crewmitglieder fühlten sich etwas flau im Magen. Dazu gehörte auch ich. Am ersten Tag passiert das mir öfters. Als ich das äußerte kamen von meinem Freund Martin neugierige Rückfragen. „Wie fühlt das sich genau an?“ „Wie ist das so?“. Zurück kam von mir nur die schroffe Antwort: „Ich will jetzt nicht darüber reden“. Wenige Minuten später sagte er mir dann: „Ich weiß jetzt, was du vorhin meintest“.
Unzufrieden war ich mit dem killenden Achterliek unseres gerefften Großsegels. Dieses ließ sich auch mit Baumniederholer nicht straffen. Um die Großfallspannung zu ändern hätte ich das Groß komplett ausrollen müssen, was ich bei dem Wind vermeiden wollte.
Als wir uns ausreichend nach Norden vorgekämpft hatten, konnten wir mit einem deutlich angenehmeren Halbwindkurs auf die Fehmarnbrücke anlegen. Normalerweise sollte die Höhe der Fehmarnbrücke für eine Bavaria 37 mehr als ausreichend sein. Allerdings hatte ich schon bei meiner Törnvorbereitung gesehen, dass in meiner elektronischen NV Charts Seekarte eine Warnung eingetragen war. „Reduzierte Durchfahrhöhe aufgrund von Bauarbeiten“. Im Internet konnte ich keine weiteren Quellen für diese Warnung finden. Mit ein bisschen Unbehagen ging es deshalb an die Brückendurchfahrt. Trotz Fernglas und 6 Augenpaaren konnten wir aber glücklicherweise keine Gerüste unter der Brücke entdecken. Ein Umweg hätte viel Zeit gekostet. Erschwert noch durch die dortige Baustelle der Fehmarnbelt-Tunnel.
Als Hafen hatte ich mir Heiligenhafen ausgesucht. Ich war dort schon öfters und wollte bei meinem ersten Törn als Ostseeskipper gerne auf bekanntem Terrain anfangen.
Zuerst hatten wir uns für unser Anlegemanöver eine ziemlich große und lange Box rausgesucht. Viel zu groß für eine 37. Es wäre gegangen, aber unsere Stegnachbarn machten keinen sonderlichen freundlichen Eindruck, was sich durch feindselige Blicke und fehlende Hilfeleistung äußerte. Ich entschied mich deshalb die Leinen wieder loszuwerfen und nach einer besseren Box zu suchen. Diese fanden wir nach kurzer Suche auch. Nicht nur die Box, sondern auch freundliche und hilfsbereite Stegnachbarn.
Nach einiger Diskussion hin und her einigten wir uns auf ein Fischrestaurant in Heiligenhafen als Tagesabschluss.
Tag 2: Von Heiligenhafen nach Ærøskøbing auf Ærø
Meine ursprüngliche Törnplanung sah für den zweiten Tag einen Schlag von Heiligenhafen nach Bagenkop vor. Für Tag 3 sah der Wetterbericht einen Wind von 36 kn in Böen vor. Bei solchem Wind hab ich keine Lust anzulegen und auch meiner noch unerfahrenen Crew wollte ich das ersparen. Also war ein Hafentag schon fest eingeplant. Den Hafentag wollte ich aber ungern in Bagenkop verbringen. Es ist dort nicht schlimm, aber es gibt auch deutlich sehenswertere Orte. Wir entschieden uns deshalb unseren Schlag ins deutlich attraktivere Ærøskøbing auf der Insel Ærø zu verlängern.
Anna durfte Ablegen, danach passierten wir die langgestreckte Hafenausfahrt. Unser weiterer Weg führte uns viele Stunden mit Nordwestlichem Kurs an Fehmarn vorbei. Dabei durften wir auf keinen Fall zu weit nach Westen kommen, da sich dort ausgedehnte Schießgebiete befinden. Eines der Sicherungsboote aus dem Schießgebiet hatten wir bereits bei der Hafenausfahrt in Heiligenhafen getroffen.
Spannend wurde es nochmal ab Marstal. Das betonnte Fahrwasser ist recht eng und führt in einem interessantem Zickzack-Kurs bis Ærøskøbing. Außerhalb des Fahrwassers ist das Wasser teilweise nur noch einen Meter tief. Es ist also große Konzentration gefordert. Nach kurzer Einarbeitungszeit konnte die Crew die Aufgabe unter Aufsicht der Co-Skipperin aber schon komplett selbst ständig meistern. Ich war unten am Kartentisch und habe gelegentlich kontrolliert (was sich aber als grundlos erwies).
Beim Anlegen klappt es diesmal nicht ganz so wie geplant. Der kräftige Seitenwind stellte das Boot in der Box immer wieder schräg. Ein paar Helfer an Land konnten das Boot mit unseren Landleinen in gerade Position ziehen. Ich war nicht ganz zufrieden mit mir. Aber Hauptsache nix passiert.
Am Abend nutzte ich noch meine mitgebrachte Reisegitarre, um die Ohren der Crew zu quälen. Ein Vorteil der Anreise mit eigenem PKW. Man kann auch sperrige Gegenstände mitbringen.
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Tag 3: Hafentag Ærøskøbing
Am 3. Tag war unser windbedingter Hafentag.
Wir kontrollierten unsere Leinen und begaben uns dann auf Landgang. Skipper Marcus gönnte sich noch als Wegzehrung ein Eis mit Lakritz (ich weiß das polarisiert stark).
Ich bin ein totaler Fan der kleinen niedlichen Häuser in Fachwerkhäuser in Ærøskøbing. Diese sind alle verschiedenfarbig gemalt und haben mitunter prächtige mehrfarbige historische Holztüren. An vielen Häusern entdeckte ich einen außen montierten Spiegel, mit dem der vor der Tür stehende Besuch identifiziert werden kann. Auch die Inselkirche inkl. an der Decke ausgehangenem Dreimaster war sehr sehenswert.
Es fand sich sogar noch ein kleines gemütliches Café für uns.
Der Wind hatte wie angekündigt aufgefrischt und zerrte an unseren Leinen im Hafen. Ich war in diesem Moment sehr froh über den Inseltag. Meine Crew entschied sich noch zu einem weiteren Spaziergang in den Westen der Insel. Dort stehen sehr nett anzusehen mehrfarbige Strandhäuser. Ich hingegen entschied mich alleine an Bord zu bleiben. Teils um das Boot zu überwachen, teils weil ich ein bisschen Zeit für mich brauchte (heute me time genannt).
Tag 4: Ærøskøbing nach Lyø
Fahrt nach Lyø
Gemeinsam entschieden wir uns für die Insel Lyø als unser Tagesziel. Die Insel wird in vielen Reiseführern als einer der schönsten Orte Dänemarks beschrieben. Mit dieser Information war die Crew schnell überzeugt.
Der Wind hatte mittlerweile deutlich abgenommen. Es waren aber auch an diesem Tag wieder 20 kn aus westlicher Richtung. Die Ausfahrt aus Lyø konnten wir noch mit einem Halbwind fahren, mussten uns allerdings anschließend auf der Kreuz vorkämpfen. Das Boot segelte mit leicht gerefften Segeln sehr gut. Allerdings killte das Achterliek vom Groß wieder. Mittlerweile hatte ich Rücksprache mit anderen Seglern und der Charterbasis gehalten. Einhellige Meinung: Großfall durchsetzen. Wir unternehmen dazu einen Versuch, der allerdings nicht von vollem Erfolg gekrönt war. Ich habe noch keine Erfahrung mit wie viel Kraft man das Großfall bei einem Rollsegel durchsetzen darf. So eine Winch kann viel Kraft erzeugen und hatte Angst etwas zu zerreißen.
Anlegen in Lyø
Lyø hat nur einen einzigen kleinen Hafen. Die Kapazität des Hafens ist sehr begrenzt. Vor ein paar Jahren war ich schon einmal in Lyø. Leider konnten wir damals keinen Platz bekommen und mussten ohne Zugangsmöglichkeit zur Insel ankern.
Als wir mussten wir erst auf das Ablegen der kleinen Inselfähre warten. Da der Hafen kein Hafenbecken hat, mussten wir unsere Fender und Leinen schon draußen vorbereiten. Nach Möglichkeit versuche ich das zu vermeiden, da draußen durch die Wellen mehr Bewegung im Boot ist.
Im Hafen von Lyø hatten wir schnell eine passende Box gefunden. In diese fuhr ich rückwärts ein. Leider verschätzte ich mich etwas und blieb mit dem Flaggenstock unserer Nationalflagge am Dalben hängen. Es gab ein unerfreuliches Geräusch und die Flagge fiel aus der Halterung. Zum Glück war sie zusätzlich mit einem Bändsel gesichert. Ich fuhr noch einmal aus der Box raus. Der zweite Versuch klappte deutlich besser. Als ich meiner Vorschiffscrew anweisen wollte auch die Vorleinen auszubringen, stellte ich voller Stolz fest, dass das bereits vollständig erledigt war. Super Crew!
Ich habe mich dann daran erinnert, dass manche Skipper den Flaggenstock vor dem Anlegen abbauen. Zu dieser Gruppe gehöre ich jetzt auch.
Inselrundgang Lyø
Anschließend ging es auf Inselspaziergang. Wir wollten schließlich das preisgekrönte Inselinnere bewundern. Nach einem Kilometer Fußweg kamen wir im Dorf an. Dort erwarteten uns hübsche Fachwerkhäuser und eine Inselkirche. So etwas wie Gastronomie oder Läden sind uns nicht begegnet.
Unser weiterer Weg führte in den Westen der Insel. Dabei hatten wir Aussicht auf eine weitere Sehenswürdigkeit der Insel: eine flügellose Windmühle. Schließlich erreichten wir den „Klookesten“ auf deutsch „Klangstein“. Das ist eine etwa 3.000 vor Christus entstandene Grabstätte. Wenn man einen der großen Steine an der richtigen Stelle mit einem kleinen Stein anschlägt, ertönt ein Glocken ähnlicher Ton.
Ursprünglich gab es auf Lyø 52 dieser „Dolmen“ in denen wichtige Personen der Gesellschaft begraben wurden. Erhalten sind auf Lyø insgesamt noch 4. Interessant, dass die Insel auch vor so langer Zeit schon besiedelt war.
Zurück am Boot interessierten sich einige Crewmitglieder sehr für den Bootsmannstuhl, mit dem man Arbeiten am Mast verrichten kann. Da die Bedingungen günstig waren, wurde jeder der wollte, bis zur ersten Saling hochgezogen. Ich selbst machte auch mit. Meine letzte Erfahrung mit einem Bootsmannsstuhl liegt schon Jahre zurück und war nicht positiv. Jetzt konnte auch ich etwas Vertrauen wieder aufbauen. Die Stimmung an Bord war ausgelassen und ich hoffe, wir haben die Nachbarcrews in diesem kleinen beschaulichen Hafen nicht allzu sehr gestört.
Tag 5: Lyø nach Bagenkop
Tagesziel
Unser Törn hatte uns Luftlinie 54 sm nordwestlich von Großenbrode weggeführt. Es wurde deshalb höchste Zeit wieder etwas in Richtung Ausgangshafen und Zielhafen zu kommen. Ich präsentierte der Crew verschiedene Optionen für das heutige Ziel. Ein Hafen an der deutschen Küste z.b. Laboe hätte sich von Wind und Strecke gut angeboten. Die einhellige Meinung war aber „Wir wollen noch nicht zurück nach Deutschland. Wir wollen in Dänemark bleiben.“ Meine Antwort: „Dann müssen wir am letzten Tag aber noch ein ganzes Stück Strecke machen.“ Crew: „Ist uns egal, unbedingt noch einen Tag Dänemark“.
Also wurde als Tagesziel Bagenkop auf der Insel Langeland definiert. Das liegt genau auf der Hälfte der Strecke. Außerdem kenne ich mich dort gut aus.
Überfahrt nach Langeland
Unser Kurs führte uns westlich an Lyø vorbei. Anschließend wechselten wir auf einen südwestlichen Kurs. Wir mussten dabei einen tiefen Raumwindkurs fahren. Für diesen Kurs ließ ich das Großsegel komplett bergen, so das wir nur mit Genua unterwegs waren. Das kostete ein bisschen Geschwindigkeit. Andernfalls hätten wir sonst zum Schutz vor einer Patenthalse einen einschränkenden Bullenstander setzen müssen.
Die Crew verbrachte die lange Überfahrt schwatzend und manchmal auch schlafend auf dem Vorschiff. Ich hätte auch gerne geschlafen, aber der Skipper sollte ja aufpassen. Stattdessen betrachte ich die langsam vorbeiziehende Küste von Ærø. Später schlief der Wind immer mehr ein. Um unsere rechtzeitige Ankunft in Bagenkop zu gewährleisten, musste deshalb auch die Maschine etwas mithelfen.
Anlegen in Bagenkop
Im Hafen von Bagenkop gelang unser Anlegemanöver sehr gut. Mittlerweile waren wir ein eingespieltes Team. Auch ich hatte mich an das Boot gewöhnt. Unsere Bootsnachbarn waren ein Ehepaar aus Deutschland, dass bereits 30.000 sm auf eigenem Kiel zurückgelegt hatte. Die Frau sagte meiner Vorschiffcrew nach dem Anlegen: „Ihr habt ja ein Glück mit so einem entspannten Skipper.“ Als mir das weitergetragen wurde, habe ich mich extrem gefreut und war Stolz. Vielleicht das schönste Kompliment meiner Segelkarriere.
Mit dem Mann habe ich auch ein paar Worte gewechselt. Wir kamen auf mein Boot in Leipzig zu sprechen „Neptun 22“. Er meinte er dazu überheblich: „Aus welchem Museum hast du die denn geklaut?“. Nicht jeder Segler, den man trifft ist nett.
An Land erkundeten wir das nähere Umfeld und besuchten den Strand nördlich von Bagenkop.
Zurück an Bord zauberte die Crew wieder ein tolles Abendessen. Zum Sonnenuntergang ging es noch als Abschluss auf den „Fake Leuchtturm“ hoch. Einige Crewmitglieder hatten vor Rührung über den schönen Ausblick und die ganze Situation feuchte Augen. Ich freute mich mit.
Am Abend wurde nochmal viel gesprochen und gelacht. Es schwebte aber unterschwellig schon etwas Wehmut aufgrund unserer baldigen Rückkehr mit. Ich sorgte mich auch etwas um den für den nächsten Tag angekündigten Wind von 28 kn in Böen und sinnierte über mögliche Ablegemanöver.
Tag 6: Bakenkop nach Großenbrode
Überfahrt zurück nach Großenbrode
Relativ zeitig ging es aus den Federn. Schließlich mussten wir eine große Wegstrecke bewältigen und außerdem noch an die Tankstelle fahren. Vom ursprünglich angekündigten 28kn Wind war im Hafen zum Glück nicht viel zu spüren und das Ablegemanöver verlief planmäßig.
Vor dem Hafen von Bakenkop lief das Boot unter Autopilot zweimal plötzlich aus dem Ruder. Es war auch kein plötzlicher Totalausfall, sondern eine stetig wachsende Tendenz in eine Richtung. Sehr unangenehm jedenfalls.
An besondere Ereignisse auf der Fahrt zurück nach Großenbrode erinnere ich mich nicht mehr. Auch bei der Brückendurchfahrt mussten wir uns diesmal keine Sorgen mehr wegen der Durchfahrhöhe machen.
Zurück in Großenbrode
Zurück in Großenbrode mussten wir zuerst zur Tankstelle. Ich wurde von meiner Crew für das schöne Längsseitsmanöver gelobt.
Während unseres letzten Anlegemanövers stieß meine Frau heftig mit dem Kopf gegen den Großbaum. Das verursachte an Bord einige Ablenkung und viel Anteilnahme. Sie hatte eine Mütze getragen und den Baum von unten kommend nicht gesehen. Mir ist das leider auch schon passiert, zum Glück blieb es bei einer kleinen Beule. Das nur als kleines Beispiel welch unvorhersehbare Dinge an Bord passieren können.
Als letzten Akt musste das Boot noch von außen gereinigt werden. Dabei entstand kurz eine gereizte Stimmung, weil ein Crewmitglied durch unachtsamen Gebrauch vom Wasserschlauch das andere Crewmitglied nass machte. Manchmal muss der Skipper auch eine gewisse Qualifikation als Kindergärtner mitbringen.
Aber auch dieses Thema konnte geklärt werden und wir verbrachten wehmütig den letzten Tag der Messers. Ich traurig über das Törnende aber auch glücklich, dass wir so einen schönen Urlaub zusammen verbringen durften und Mensch und Material ohne Schäden geblieben sind.
Insgesamt haben wir auf unserem Dänemark Törn 171 sm zurückgelegt.
Abreisetag
Am Samstag musste eine riesige Menge Material wieder von Bord geschafft werden. Nicht nur wie bei unserer Anreise unsere persönlichen Besitztümer in Form von Rucksäcken und Reisetaschen. Auch vom Proviant war (wie eigentlich bei jedem Törn) eine Menge übrig geblieben. Trotzdem wir den Mondeo wieder bis zur Schmerzgrenze vollpackten, mussten wir im Hafen noch Getränke verschenken.
Vor Ort mussten wir uns bereits von Anna verabschieden, die wir noch zum Bahnhof brachten.
Die Leipziger Crew fuhr wieder gemeinsam heim. Ich fahre nicht oft größere Strecken und trotz der kurzweiligen Unterhaltungen an Bord war es anstrengend für mich. Zurück in Leipzig lieferten wir die Crewmitglieder noch in verschiedenen Stadtvierteln ab. Nachdem ich unser Gepäck und die übrig gebliebenen Vorräte inkl. vieler Getränke im Haus hochgetragen hatte, fiel ich in einen Koma ähnlichen Schlaf auf der Couch. Müde aber glücklich!
Fazit
Dieser Törn war einer meiner schönsten Segelurlaube. Dabei reden wir mittlerweile von immerhin 18 Wochen Törns. Auf manchen Törns hatten wir bessere Schiffe, einen schöneren Nachthimmel, längere Schläge oder besseres Badewetter. Trotzdem ist gerade dieser Törn ganz weit oben bei meinen Top-Erinnerungen gelandet. Der wichtigste Faktor waren dabei die Menschen an Bord. Sowohl die Harmonie an Bord, als auch die gemeinsame Bewältigung aller seemännischen und nicht seemännischen Aufgaben an Bord hat toll funktioniert. Besonders gefallen hat mir die ehrlich empfundene Freude der Crew über die gemachten Erfahrungen auf dem Wasser und auf dem Land.
Wie beschrieben war ich mit einigen Hafenmanövern am Anfang des Törns nicht ganz zufrieden mit mir. Wenn es um mich selbst geht, bin ich harter Kritiker. Mein selbst gestecktes Ziel stets die Ruhe und den Überblick zu wahren konnte ich hingegen sehr gut umsetzen. Auch die Hafenmanöver wurden immer besser. Man muss sich halt doch erst etwas an das neue Boot gewöhnen.
Auf diesem Törn habe ich einige Tipps aus dem Buch „Moderne Crewführung auf Sportbooten“ umgesetzt. Dazu zählt, dass wir in der Crew jeden Abend in einer Gesprächsrunde den Tag besprachen. Dazu gehörten sowohl schöne als auch verbesserungswürdige Momente und Situationen. Auch Wünsche für die nächsten Tage fanden einen Platz. Erstmal fühlt es sich vielleicht etwas komisch an nach Selbsthilfegruppe. Von mehreren Törnteilnehmern wurde es aber im Nachhinein als sehr wertvoll angesehen und ich werde es definitiv weiterführen.
Danke liebe Dänemark Crew 2023!
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