Der Urlaubstörn
Stellt euch einen Segeltörn im Spätsommer im Mittelmeer vor. Das Segelboot zieht langsam durchs Wasser und hinterlässt zwei sich voneinander entfernende Wellenberge. Die Crew beschäftigt sich mit Büchern oder träumt in der Sonne. Der Skipper hingegen sucht verzweifelt nach Zuhörern für seine Abenteuergeschichten. Auch für das Erlernen neuer Knoten findet sich kaum Begeisterung. So oder so ähnlich sieht ein Urlaubstörn im Idealfall aus. Doch auch der schönste Urlaubstag ist irgendwann vorbei und die Dunkelheit bricht herein.
Aber was machen denn eigentlich Segelboot und Crew auf einem Urlaubstörn in der Nacht?
Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Öfters werde ich in diesem Zusammenhang mit interessanten, aber teils auch total absurden Thesen konfrontiert. Einige dieser Thesen möchte ich in diesem Artikel prüfen.
These 1: Es wird die ganze Nacht durch gefahren?!
Um größere Distanzen zurückzulegen, muss auch die Nacht genutzt werden. Für den oben skizzierten klassischen Urlaubstörn ist es aber eher untypisch. Auf meinen bisherigen Törns bin ich viele Male bis spät in die Nacht gesegelt, aber niemals die ganze Nacht durch. Auch bei den meisten Ausbildungstörn war das der Fall.
Eine Nachtfahrt bedeutet für die gesamte Crew und insbesondere den Skipper mehr Stress. Im Cockpit müssen sich jederzeit aufmerksame Crewmitglieder aufhalten und Wache gehen. Damit Erholungsphasen gewährleistet sind, muss die Crew in Wachen (z.B. 2 oder 3h) eingeteilt werden. Auf dem Land würde man sagen „Schichten“. Jede dieser Wachen muss genug Kompetenz mitbringen um Gefahrensituationen zu erkennen und zu entschärfen. Zu diesen Gefahren zählen beispielsweise andere Schiffe, Wetterveränderungen, Hindernisse im Wasser oder technische Probleme am Schiff. Auf vielen Urlaubstörns ist der Skipper leider die einzige Person an Bord die dazu befähigt ist. Leider kann aber auch der Skipper nicht 24 h am Stück aufmerksam sein.
Bei mir persönlich steht bei einem Urlaubstörn stressfreie Erholung im Vordergrund. Und da passt 24 h Segeln für mich nicht rein.
These 1: Der Anker wird einfach herausgeworfen und hält dann oder?!
Leider ist es nicht ganz so einfach. Die Ankerkette oder Leine muss langsam abgelassen werden. Das Schiff befindet sich dabei in Rückwärtsfahrt und legt Anker und Ankerkette in einer geraden Linie aus. Andernfalls liegt auf dem Grund ein großer Haufen aus Ankerkette. Bei Starkwind würde die Kette dann gespannt werden und der „Haufen“ gibt plötzlich nach.
Wichtig ist auch, dass der Ankergrund geeignet ist. Ganz schlecht sind Wasserpflanzen oder Fels. Gut klappt es auf Sand oder Kies.
Ich empfehle dazu auch meinen Artikel: Warum kann man den Anker wieder vom Meeresgrund hochziehen?
Bevor ich es vergesse noch als abschreckendes Beispiel: Wie mein Anker verloren ging
These 2: Bei der Atlantiküberquerung wird draußen auf dem Meer geankert?!
Freunde von mir hatten die Vermutung, dass ein Segelboot auf einer Atlantiküberquerung in der Nacht ankert.
Eine normale Segelyacht hat etwa 50 m Ankerkette an Bord. Um sicher zu Ankern sollte man das 5 fache der Wassertiefe an Kettenlänge ausbringen. Kettenlänge = 5 * Wassertiefe
Demzufolge kann unsere Yacht nur bis 10 m Wassertiefe sicher ankern. Laut Wikipedia hat der Atlantische Ozean aber eine durchschnittliche Wassertiefe von 3.300 Metern. Da fehlt ein ganzes Stück!
Davon abgesehen sollte immer in geschützten Gewässern geankert werden. Bei Wellengang wirken extrem hohe Belastung auf das Ankergeschirr. Des Weiteren kann dadurch der Anker aus dem Grund herausgebrochen werden.
These 3: Schlaft ihr eigentlich auch auf dem Boot?
Na klar und das sogar gerne. An Bord schlafen immer 2 Personen in einer Kabine. Im Normalfall gibt es ein Doppelbett, seltener ein Stockbett.
Eine Pantry (kleine Küche) und ein WC gibt es auch. In warmen Gefilden wird auch gerne draußen an Deck geschlafen.
Du hast die Frage nicht beantwortet, was macht denn nun die Crew auf einem Urlaubstörn in der Nacht?
Das Boot liegt entweder fest im Hafen, vor Anker oder an einer Boje. Im Hafen erhält man Strom und Wasser und kann sich frei an Land bewegen. Dafür wird dann eine Hafengebühr fällig.
Je nach Hafen kann es durch Publikumsverkehr etwas unruhig werden. Im Regelfall liegt man im Hafen geschützter als bei Anker/Boje.
Beim Anker hat man rings um sich Wasser. Das sieht schön aus und gibt mir das Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit. Für den Landgang muss die Crew im Beiboot übersetzen. Dieses Beiboot wird Dingy genannt und muss erst gewassert werden. Oft passt nicht die gesamte Crew in das Boot, so dass mehrere Überfahrten notwendig sind.
Bei viel Wind kann es passieren, dass der Anker anderer Yachten slippt (auf dem Grund rutscht) und diese sich auf einen zu bewegen. Logischerweise kann genau das auch dem eigenen Anker wiederfahren.
Eine Ankerwache sitzt bei solchen Bedingungen im Cockpit und hält Ausschau.
An einer Boje liegen, ist recht ähnlich zum Ankern. Der Unterschied ist, dass feste Anker in Form von Betonblöcken auf dem Grund installiert sind. Ein Stahlseil verbindet diesen Betonblock mit einer Boje. Bojenfelder schützen die natürlichen Seegraswiesen. Da sie kostenpflichtig sind, werden damit auch gerne die Yachties abgezockt.
These 3: Ankerwache bedeutet alle 3 h den Anker zu prüfen
Letztes Jahr in Griechenland war ich nicht zufrieden mit dem Halt des Ankers und entschied mich für die Einrichtung einer Ankerwache. Meine Aussage war:“Wir machen die erste Ankerwache für 3 h.“
Ein Freundin und Mitseglern hat das so interpretiert, dass aller 3 h jemand an Bord geht und schaut, ob alles in Ordnung ist.
Gemeint war aber, dass die Ankerwache ständig da ist und nach 3 h die Ablösung kommt.
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