Vorwort
Es war Ende Juli und überaus schönes Wetter in Leipzig. Meine Frau musste leider mehrere Wochen in eine Spezialklinik in die Nähe von Hamburg. Ich war deshalb mal wieder auf mich allein gestellt. Also musste ich irgendwie das Beste aus der Situation machen und die Zeit irgendwie nutzen. Wahrscheinlich habt ihr schon erraten, dass meine Alternativpläne irgendwas mit dem Boot zu tun hatten…
Ein großer Traum, den ich mir in dieser Zeit verwirklicht habe, ist ein Einbauradio mit zwei Einbaulautsprechern. Vorher hörte ich immer mit Bluetooth Lautsprechern Musik. Die stehen aber immer irgendwo im Weg und sind durch Krängung/Wasser/meine Bewegungen sehr gefährdet. Außerdem ist der Sound gerade bei den Bässen nicht vergleichbar mit einer Einbaulösung. Das Radio bietet auch eine Bluetoothverbindung, so dass ich über mein Handy alles bequem steuern kann.
Am ersten Einbautag bin ich erst so spät fertig geworden, dass es schon dunkel war (und das im Sommer). Da ich keine Lust hatte noch mit dem Fahrrad nach Hause zu fahren, bin ich einfach spontan im Boot geblieben. An Bord habe ich für solche Fälle immer eine gefüllte Waschtasche und ein Handtuch. Sehr praktisch!
Etwas besser auf eine Übernachtung eingerichtet, bin ich am nächsten Tag, es war ein Freitag, nach der Arbeit zum Boot. Am Radio musste ich noch die Lautsprecherkabel verlöten und das Radio mit Strom versorgen.
Und das Projekt war von Erfolg gekrönt! Super Sound mit Quellenwahl zwischen DAB+, Bluetooth oder FM.
Nach mehren Tage basteln kopfüber in irgendwelchen Löchern, hatte ich jetzt aber auch erstmal genug von Bauarbeiten. „Basteln kannst du im Winterlager. Schnell raus aufs Wasser jetzt!“ war die berechtigte Empfehlung meiner inneren Stimme.
Das Abenteuer beginnt
Segeln
Einhand segel ich mit meinem Boot oft nur mit Großsegel. Der Grund dafür ist, dass ich vorne ein Stagreitervorsegel ohne Rollanlage fahre. Zum Setzen kann ich das Segel bereits im Hafen anschlagen. Anstrengender wird das Bergen des Vorsegels, da ich die Pinne dann feststellen muss und mich aufs Vorschiff begebe. Das dauert seine Zeit und stärkerer Wind würde mich da in eine sehr unangenehme Situation bringen.
Eine Rollanlage steht für die Zukunft auf meiner Wunschliste. Dafür muss ich aber ca 1.000 € investieren (was entgegen der landläufigen Vorurteile gegenüber Seglern für mich sehr viel Geld ist).
Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, ich fuhr also nur mit Großsegel auf dem Markkleeberger See in östlicher Richtung. Das Boot machte sogar teilweise 3,5 kn Fahrt. Ein sehr guter Wert für die verkleinerte Segelfläche.
Ohne Vorsegel kommt man nicht so hoch an den Wind wie mit. Aber darauf kam es mir bei meiner Entspannungsfahrt nicht an.
Nach dem ich 2.5 sm gefahren war, senkte sich die Sonne langsam. Da das ankern im Dunkeln riskanter ist (man übersieht schnell Untiefen und kann Entfernungen schwerer einschätzen), macht ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Nachtquartier.
Ankern
Eine schöne Stelle habe ich in der Nähe der Insel gefunden. Natürlich mit gebührendem Abstand, da die Insel Naturschutzgebiet ist und deshalb auch nicht betreten werden darf.
Ich habe mich für diesen Ort entschieden, da er weit weg von allen Ufern liegt. Ich wollte Einsamkeit und meine Ruhe. Keine betrunkenen Jugendlichen, die mich in der Nacht besuchen.
Geankert habe ich mit meinem 8 kg Klappdraggen mit 2 m Kettenvorlauf. Unser Ankergrund ist überall im See eine Art Ton. Mein Ankergeschirr sollte darin auch bei stärkerem Wind gut halten.
Die Herausforderung beim ankern ist es für mich, ausreichend Leine/Kette zu geben, aber andererseits auch nicht zu viel. Bei einem Winddreher wird das Boot Richtung Ufer gedreht und sollte dort trotzdem keine Probleme mit dem Tiefgang haben.
Etwas ungewohnt das gesamte Ankermanöver alleine zu machen, aber es ging gut. Ich ging dabei wie folgt vor:
- In ausreichend Abstand von allen Ufern und Fahrzeugen den Motor in Leerlauf stellen und vorne den Klappanker aufbauen und die Ankerleine klarieren und an der Klampe fixieren (GANZ WICHTIG).
- Geeignete Stelle zum Ankern anfahren.
- Boot aufstoppen. Danach Motor in den Leerlauf
- Schnell nach vorne gehen und den Anker werfen
- Beobachten wie sich das Boot ausrichtet (mit Blick auf das Lot).
- Motor stoppen, sobald wirklich alles passt.
- Ankerball und Ankerlicht nicht vergessen.
Übernachtung
Von Zuhause hatte ich mir für das Abendbrot ein bisschen Käse und Brot mitgebracht. Das ließ ich mir jetzt schmecken. Und durch die ganze Atmosphäre schmeckte es deutlich besser als im heimischen Wohnzimmer! Jeder der jetzt zur Corona Lockdown Zeit eine Pizza bei seinem Lieblingsitaliener bestellt hat, kennt diese Phänomen ja. Im gemütlichen Restaurant schmeckt die gleiche Pizza anders als Zuhause aus der Box.
Anschließend habe ich meine Feuerhand Petroleumlampe gezündet. Das gute Stück ist ein Geschenk von meinem Vati, der hobbymäßig alte Petroleumlampen sammelt und restauriert. Der Natur des Feuers gemäß sollte man mit Feuer an Bord immer ultimativ vorsichtig sein. Die Stimmung des warm gelben Lichts und der tanzenden Flamme ist aber für mich durch kein elektrisches Licht dieser Welt zu ersetzen. Leider zog die Lampe auch eine größere Menge kleiner Fliegen an ,wodurch ich nach einiger Zeit gezwungen wurde, die Lampe wieder zu löschen.
Auf meiner neuen Musikanlage liefen quer durch den Gemüsegarten von Rock, Dire Straits bis Klassik alles. Die nächsten Stunden verbrachte ich im Dunkeln mit Beobachtungen. Zum Beispiel wie das Boot sich manchmal bei einem leichten Windhauch vor Anker in eine andere Richtung dreht. Auch das Ufer war immer einen Blick wert. Auf der gegenüberliegenden Uferseite blinkten rythmisch farbige Lichter und dröhnten dumpfe Bässe. Mit meinem alten Carl Zeiss Jena Fernglas konnte ich feststellen, dass eine kleine Open Air Party mit einer Lichtorgel im Gange war! Ob die auch mein kleines Ankerlicht gesehen haben?
Ab und zu sah ich in Höhe des Fahrradwegs im Wald unrhythmisch aufblitzende weiße Lichter verspäteter Fahrradfahrer.
Der Sternenhimmel war für Stadt Verhältnisse sehr gut. Der Markkleeberger See liegt schon etwas außerhalb von der Lichtsmogzone Leipzig. Für mich erstaunlich wie viele Details mit meinem kleinen Hobbyfernglas erkennbar waren. Ich stellte mir ein paar philosophische Fragen über das Leben, die sich beim Anblick dieser Sterne schon viele Generationen Menschen gestellt haben. Doch beantworten ließen sich die Fragen an diesem Abend nicht (auch nicht so schlimm).
Trotz einer Entfernung von nur 8 km Luftlinie bis ins Leipziger Stadtzentrum war ich so unglaublich weit weg von allen Dingen. Nicht nur physisch, sondern vor allem emotional. Der Job, Corona und alle Alltagssorgen waren nur noch eine schwache alte Erinnerung. Wie auf einem richtigen Segeltörn.
Der nächste Tag
In der Nacht schlief ich gemütlich auf meiner Salonkoje. Da es absolut windstill war, gab es weder Bewegungen noch Geräusche in der Nacht. Da kein Regen angekündigt war, ließ ich das Boot einfach offen. 3 Uhr bin ich einmal aufgewacht, da mir kalt war. Die Luft über dem See kühlt auch in warmen klaren Sommernächten deutlich ab. Kurz die zweite Decke genommen und weitergeschlafen.
Aufgewacht bin ich am nächsten Morgen um 7 Uhr. Trotzdem war der See schon von einigen SUPs bevölkert. Ich hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen weil ich am Wochenende normalerweise sehr lange schlafe und zu solchen Zeiten nie am See bin.
Ein Sprung ins Wasser war meine Mischung aus morgendlicher Grundreinigung und Frühsport.
Da ich mit Freunden zum Segeln verabredet war, ging ich dann Mittag Anker auf. Dabei gehe ich Einhand wie folgt vor:
- Motor starten und im Leerlauf warm laufen lassen.
- Anker bergen und auf dem Vorschiff liegen lassen
- Schnell nach hinten (aber ohne Hektik)
- Gang rein und den Flachwasserbereich verlassen
- An einer geeigneten Stelle den Anker reinigen, Leine klarieren und wieder verstauen.
Fazit
Diese Übernachtung war mich eine unglaubliche Erfahrung. Ich bin froh, dass ich mir dieses kleine Abenteuer organisiert habe.
Durch diese und andere Einhandfahrten ist das Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten und auch das Schiff deutlich größer geworden. Da das meine erste Saison mit der Sprinta70 war, musste ich da erstmal reinwachsen.
Nächstes Jahr muss ich das unbedingt wieder machen!
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