Vorwort
Im Januar kontaktierte mich Ingo, ein befreundeter Segler und fragte, ob ich Lust auf einen kurzen Segeltörn Ende März von Breege nach Warnemünde hätte. Bei dem Törn werden in einer Flottille Schiffe des großen Charteranbieters Mola vom Winterhafen auf Rügen zum Bestimmungsort gebracht.
Lust hatte ich schon, allerdings ist es von Leipzig nach Warnemünde erfahrungsgemäß eine lange und beschwerliche Anreise mit der Bahn. Für so einen kurzen Törn lohnt sich das eigentlich nicht. Ingo wohnt aber auch in Sachsen und ich lag direkt auf seiner Reiseroute, wodurch sich eine gemeinsame Autofahrt anbot. „Ich kann dich einfach an der A14 einsammeln.“ Also komme ich mit!
Anreise
Mein Seesack war fast so prall gefüllt wie für einen größeren Segeltörn. Die Dinge, die viel Platz wegnehmen wie Ölzeug, Stiefel, Schlafsack, Pullover, Waschtasche braucht man ja auch für den kleinen Törn. Ein paar mehr T-Shirts und Unterwäsche mehr würden da im Vergleich nicht groß ins Gewicht fallen.
Unsere Autofahrt nach Warnemünde verlief angenehm unspektakulär. Wir unterhielten uns während der Fahrt zum Beispiel über die Yachtmaster Ausbildung, die mein Freund gerade erst absolviert und bestanden hatte. Vielleicht mache ich das ja auch noch irgendwann? Ingo erzählte mir auch von seinem bestandenen SHS. Großer Respekt. Noch so ein Sehnsuchtsprojekt von mir.
In Warnemünde trafen wir dann auf unsere restlichen 2 Crew Mitglieder und waren damit komplett.
Nach und nach füllte sich der Gehsteig mit den anderen Crews und sehr viel Gepäck in Form von Taschen, Klappboxen und auch Bierkästen. Vom Organisator Falk erfuhren wir, dass von unserer Flottille 11 Schiffe überführt werden. Gemeinsam warteten wir dort auf einen Reisebus, der uns nach Breege bringen sollte. Andernfalls hätten wir nach der Überführung ja die Autos noch auf Rügen.
Die erste große Herausforderung war, das ganze Gepäck in dem Bus zu verstauen. Überraschenderweise passte alles dann doch irgendwie rein. Die Stimmung an Bord war gut, ein bisschen wie eine Klassenfahrt. Das letzte Mal war ich als Schüler auf Rügen und konnte deshalb auf der Fahrt schon ein paar neue visuelle Eindrücke sammeln.
Breege begrüßte uns dann mit kaltem Regenwetter gewürzt mit Wind. Hektisch wurden Mensch und Material unter den überdachten Freisitz eines Imbiss verlegt.
Der Regen ließ dann auch etwas nach und mittels Rollkarren verlegten wir unser Gepäck auf den Steg. Zugewiesen bekamen wir eine 1 Jahr alte Dehler 34 mit dem Namen Aero.
Nach dem Verstauen schauten wir gleich noch das Inventar durch und erledigten die Sicherheitseinweisung. Da das die erste Tour für dieses Boot sein sollte, war auch ein Blick auf Wanten/Bolzen etc. nicht verkehrt.
Vom Flottillenkommando organisiert, wurde am Abend gemeinsam gegrillt. Lange ging der Abend aber nicht, wir waren von der Anreise müde und mussten für die geplante Überfahrt unsere Kräfte schonen.
Die Dieselheizung im Boot lieferte gute Dienste, sodass mir auch in der Nacht nicht kalt war. Auslässe für die warme Luft waren sowohl im Salon als auch in den beiden Kabinen.
Erster Tag
Wie angesagt, hatte der Wind stark zugenommen. In der Nacht pfiffen bereits Böen durch den Hafen. Draußen auf der Ostsee waren Böen von über 40 kn angesagt. Auch auf dem Bodden gab es bereits weiße Schaumkronen auf dem Wasser. Es entstand deshalb der Plan, am Samstag nur bis Kloster zu fahren. Das ist eine 2 h Fahrt im vergleichsweise geschütztem Bodden.
Nach dem Frühstück gab es noch einen „Rat der Skipper“. Dort wurde entschieden, dass die Flottille wetterbedingt in Breege bleibt und erst Sonntag fährt. Nur ein Schiff wagte bereits Samstag die Überfahrt.
Wir hatten also plötzlich ganz viel Freizeit. Ich verbrachte erstmal viel Zeit damit, Wertmarken für die Dusche zu organisieren. Gerüchteweise sollten diese Marken beim Hafenmeister erhältlich sein. Doch der Mann blieb verschwunden. Irgendeinem aus der Crew gelang es dann doch noch die begehrten Marken zu organisieren. Ich selber habe den mystischen Hafenmeister nicht zu Gesicht bekommen.
Später fanden sich einige Crewmitglieder zu einem Landgang zusammen. Wir erkundeten Breege und wanderten auf der Suche nach einem Ferienhaus umher. Mit diesem Ferienhaus verbanden Crewmitglieder alte Erinnerungen. Das Ergebnis der Suche war glaub ich: „Das könnte jedes Haus hier gewesen sein“. Die Suche nach einem Cafe verlief genauso ergebnislos. Die zwei einzigen Restaurants von Breege waren geschlossen bzw. hatten stark reduzierte Öffnungszeiten. Also Kaffee an Bord!
Anschließend gab es organisiert von Falk noch ein Knotenwettkampf. Man musste dazu ein Brett mit typischen Seemannsknoten nach Zeit fertigstellen. Die Lust an der Teilnahme war ehrlich gesagt in unserer Crew nicht überragend. Unser Skipper meinte: „Wir müssen jemanden hinschicken.“. Ähnlich wie Frodo der den Ring eigentlich auch nicht tragen wollte, meldete ich mich für die Aufgabe: „Ich machs!“. Überraschenderweise hat es dann doch ziemlich viel Spaß gemacht. Bei jedem der 3 Durchgänge konnte ich meine Zeit um einige Sekunden verbessern. Für einen der vorderen Plätze hat es zwar nicht gereicht, es war aber auch gar nicht so schlecht.
Eine kurze Abstimmung kam zu dem Ergebnis, dass die Flottille Sonntag 06:30 ausläuft.
Zweiter Tag
Nach einer recht kurzen Nacht machten wir uns bereit zum pünktlichen Auslaufen.
Da Windstärke 6 und 5°C angesagt waren, bot ich an Kleidung fast alles auf:
Oben: langes Funktionsunterhemd, Funktionshirt, dünne Fahrradjacke, Pulloverjacke, Ölzeugjacke
Unten: Unterhose, lange Funktionsunterhose, Jogginghose, Ölzeughose
Füße: lange dicke Socken, Funktionsstiefel
Kopf: Wollmütze und darüber noch die Kapuze vom Ölzeug
Hände: Neoprenhandschuhe
Ablegen
Das Ablegemanöver verlief anfangs wie besprochen und geplant. Womit wir allerdings nicht rechnen konnten: Ein anderes Boot der Flottille legte kurz nach uns ab und scheiterte beim Versuch in der Boxengasse gegen den Seitenwind zu drehen. Das andere Boot wurde vom Wind abgetrieben und lag plötzlich längsseits von uns. Hektisch wurden auf beiden Schiffen Fender zwischen die Rümpfe geworfen. Durch ein Eindampfmanöver konnte die Situation schließlich aufgelöst werden und auch wir verließen kurze Zeit später den Hafen. Zum Glück kam es an keinem der Boote zu einer Beschädigung. Es war aber total unnötig und hat sicher insbesondere die Skipper einiges an Nerven gekostet.
Durch den Bodden
Die Fahrt durch den Bodden verlief durch betonnte Fahrwasser. Man sollte sich dort auch genau an die markierten Rinnen halten, da außerhalb das Wasser sehr flach wird.
Vor uns sahen wir schwarze Seevögel links vom Fahrwasser schwimmen. Beim näherkommen entpuppten sich diese Seevögel als Angler in Wathosen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Hosen im wenige Grad kalten Ostseewasser trotz Isolation angenehm sind. Auf einmal kam mir das eigene Hobby gar nicht mehr so verrückt vor.
Auf der Ostsee
Nach ca. 2 h waren wir dann endlich aus dem Bodden raus und erreichten die Ostsee. Wie erwartet waren dort Wind und Welle dort deutlich stärker. Wellenhöhe laut App 2 m.
An mehreren vorher bestimmten Tonnen mussten wir unsere Zeit nehmen und ein Foto machen. Das diente dazu, das schnellste Boot zu ermitteln.
Anfangs hatten wir nur das Vorsegel gesetzt. Als der Wind später etwas nachließ und alle anderen Boote vorbeizogen, kam auch das Groß noch hinzu. Das Groß hatten wir wegen der Welle und dem tiefen Kurs mit einem Bullenstander gesichert. Das machte die Halsen aber deutlich komplizierter, da erst der Bullenstander für die neue Seite gelegt werden musste. Im nachhinein betrachtet würde es wohl mehr Sinn ergeben, mit zwei Bullenstandern zu fahren.
Unsere Fahrt bestand aus vielen Stunden Raumwind und manchmal einer Halse.
Als schwächster Punkt meiner dicken Kleidung erwiesen sich die Hände. Meile Gill Neoprenhandschuhe sind eigentlich warm, aber beim still sitzen wurde die Hände doch kalt.
Ich übernahm deshalb gerne öfters das Steuer. Durch die beinah Tanz ähnlichen Bewegungen um die Wellen auszugleichen und die Bewegungen am Steuerrad kommt Schwung und auch Wärme in den Kreislauf.
Es wird eng
Zu einer recht interessanten Situation kam es, als ein anderes Boot unserer Flottille an Steuerbord auftauchte. Beide Boote hatten den Wind von Steuerbord und liefen mit sehr ähnlichem Kurs und Geschwindigkeit. Das andere Boot kam aus Luv und war demnach ausweichpflichtig. Wir liefen einige Zeit parallel zueinander. Der Abstand zwischen den Booten verringerte sich langsam immer weiter und betrug nur noch eine Schiffslänge. Nach Backbord konnten wir nicht ohne weiteres ausweichen, da dann eine Halse notwendig gewesen wäre. Irgendwie wurden wir etwas unruhig. Schließlich sagte der Skipper: „Marcus das ist ein Job für dich, funk die mal an.“
Nach mehrmaligem Rufen konnte ich das andere Boot auch erreichen und teilte die Bitte mit: „Könnt ihr etwas nach Steuerbord gehen? Wir haben kein gutes Gefühl, uns ist das zu knapp.“ „Ja machen wir, verstanden“.
Es hat sich gut angefühlt den Funk mal nicht nur als Spielerei, sondern für die Übermittlung wichtiger Informationen zu nutzen.
Schweinswale
Später sahen wir in einigem Abstand einige Schweinswale. Eine schöne Begegnung aber für mich erstmal nichts Neues. Schweinswale hatte ich schon bei vielen Ostseetörns gesehen. Was aber dieses Mal anders war:
Die Tiere kamen direkt an unser Heck und tauchten in einem Abstand von einem halben Meter vom Boot mehrere Minuten immer wieder auf. Beim deutlich hörbaren ausatmen kam jedes Mal ein Wassernebel aus dem Blasloch.
Für mich war das Treffen mit den Schweinswalen das Highlight dieses Segeltörns.
Kurz vor Warnemünde fotografierten wir unsere letzte Tonne für die Zeitwertung.
Warnemünde Hohe Düne
Die Hafeneinfahrt von Warnemünde war nochmal kurz etwas aufregend, da bei nördlichen Winden dort eine ordentliche Welle steht. Ich war gerade unter Deck und hörte nur den Diesel aufbrüllen, aber der Skipper steuerte uns souverän rein.
Das Anlagemanöver in Warnemünde gelang dann mit ein bisschen Hilfe vom Steg auch ganz gut.
Jetzt wäre eigentlich eine heiße Dusche für die fröstelnden, verschwitzen und erschöpften Segler fällig gewesen. Zu unserem Unmut erfuhren wir, dass in der gesamten Marina Hohe Düne keine Dusche betriebsbereit war. Unser Boot war am Tag stark ausgekühlt und die Dieselheizung musste lange arbeiten, bis wieder erträgliche Temperaturen unter Deck herrschten. Immerhin konnten wir uns noch einen heißen Tee bereiten.
Rückreisetag
Montag war wieder zeitig aufstehen für die Rückreise angesagt. Der gesamte Steg und auch unser Boot waren von einer dünnen Eisschicht überzogen. Jetzt nicht noch hin/reinfallen! Zusammengefasst machte mir Warnemünde den Abschied damit nicht ganz so schwer.
Die Rückreise nach Leipzig verlief wieder sehr angenehm ohne Störungen.
Zuhause angekommen war meine erste Amtshandlung eine intensive heiße Dusche. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie man sich über solche alltäglichen Dinge plötzlich wieder freuen kann.
Danach hatte ich noch einen längeren Mittagsschlaf um wieder zu Kräften zu kommen.
Fazit
Zu erst das Wichtigste: Crew und Skipper waren sehr nett und wir hatten viel Spaß an Bord.
Die Dehler 34 hat auch Spaß gemacht und besonders die Heizung hat uns gerettet.
Der Törn war mehr Abenteuer als Urlaub. Zeitig aufstehen, niedrige Temperaturen und ein langer Schlag sind schon belastend. Andererseits war es auch ein großartiges Erlebnis. Ich möchte da z.b. nochmal die Wale nennen.
Die Flottille war durch Falk sehr gut organsiert inkl. Rahmenprogramm etc. Das hat bestimmt sehr viel Zeit und auch Nerven gekostet. Danke!
Von Mola wünsche ich mir, dass beim Nächsten Mal eine Möglichkeit für eine Dusche in Warnemünde geschaffen wird. Wir überführen die Schiffe kostenlos und bezahlen sogar noch für den Bus und den Schiffsdiesel, da kann eine Dusche nicht zu viel verlangt sein.
Dieser Törn ist ganz sicher nicht für Jeden was. Aber die Ausbrechen aus der Komfortzone lohnt sich.
Ich würde wieder mit fahren.
Für die Wärme der Hände muss ich mir aber nochmal Gedanken machen. Es gibt auch so elektrisch beheizte Handschuhe, eventuell ist das eine Alternative.
Leave A Reply