Vorwort
Meine ersten beiden Segelscheine habe ich 2012 in Leipzig auf dem Cospudener See gemacht. Die Ausbildung erfolgte auf offenen Kielbooten vom Typ Aquila.
Mein damaliger Segellehrer war immer sichtbar gestresst, wenn wir Schüler die Halse nicht richtig gefahren sind. Er wurde da ziemlich hektisch und es fielen auch laute Worte. Wir Segelschüler konnten nicht verstehen, warum der Alte dabei so ein Theater machte. „Der übertreibt nur wieder maßlos. Soll sich nicht so haben.“.
Schließlich hatte ich meinen Sportbootführerschein bestanden und konnte mir stundenweise eine Jolle ausleihen. Mein eigenes Kommando ohne hektischen Segellehrer an Bord. Die Boote kann man auch heute noch am Segelbootverleih am Cospudener See mieten. Es handelt sich um Yoxy Jollen, solide Technik aus DDR Zeiten. Schon ein paar Schrammen hier und dort und deshalb optimal für die ersten Segelerfahrungen. Als Crew hatte eine Arbeitskollegin und ihr Freund angeheuert.
Die Patenthalse
Segeln mit der Yoxy Jolle
Bis zum Zeitpunkt der Katastrophe, verlief die Fahrt meiner Erinnerung nach zur vollsten Zufriedenheit. Alle Beteiligten waren bester Laune. Der Wind blies mit einer guten Stärke 3 und bescherte uns ein gutes Tempo. Nach einer Weile wollte ich eine Halse fahren. Den Baum wollte ich beim Halsen mit der Hand auf die andere Seite shiften. Da noch zu viel Druck im Segel war, zog ich vergebens und bekam den Baum nicht auf die neue Seite. Eine einfallende Böe verschärfte die Situation. Ich schaffte es dann doch irgendwie den Baum auf die neue Seite zu bringen. Allerdings war mein Stresspegel aufgrund der Komplikationen erheblich angestiegen. Auf gut Deutsch stand ich unter Strom und hatte einen Tunnelblick.
Nach der Halse muss man unbedingt wieder anluven. Ich machte aufgrund meiner Unerfahrenheit (3. Fahrt nach der Segelschule) genau das Gegenteil. Ich fiel nach der Halse wieder ab.
Die Situation eskaliert
Der Baum pfiff mit einer überaus erstaunlichen Geschwindigkeit über unsere Köpfe hinweg und klatschte ins Wasser. Zeit sich darüber zu wundern blieb uns nicht. Durch die Patenthalse hatten wir plötzlich sehr viel Krängung im Boot. Zusammen mit dem männlichen Mitsegler hechtete ich auf den äußersten Rand der Jolle um das Boot zu stabilisieren. Ganz ganz langsam ging es wieder nach unten in die normale Position. Die Mitseglerin saß bei der Patenthalse leider auf der falschen Seite und bekam eine ordentliche Ladung Wasser über die Hose.
Normalerweise wäre jetzt alles wieder normal weiter gegangen. Krone und Ego aufrichten und weitersegeln. Blöderweise hatte sich bei der beinah Kenterung das Ruder in seiner Halterung verklemmt. Ich war deshalb verzweifelt am Basteln um das Problem zu lösen. Die Jolle fuhr ohne unsere Zutun eine Wende. Und danach natürlich eine Halse. Genauer gesagt wieder eine Patenthalse. Wir mussten das ganze Theater also noch einmal durchleben. Vom Ufer aus sah das bestimmt sehr interessant aus.
Danach
Die Reaktion der Crewmitglieder auf das Ereignis war höchst unterschiedlich. Der männliche Mitsegler hatte ein breites Grinsen von ehrlicher Freunde auf den Lippen. „Das war ja ne geile Action. Können wir gleich nochmal?“. Die Mundwinkel der Mitseglerin hingegen, gingen in die gegensätzliche Himmelsrichtung. Sie konnte die Freude ihres Partners überhaupt nicht teilen. Ihre durchnässte Hose trug zu dieser Meinung entscheidend bei.
Und ich? Ich war schockiert und traumatisiert. Auch die Stunden danach war ich noch auf Adrenalin und habe viel darüber nachgedacht, was ich eigentlich falsch gemacht habe.
Was ich daraus gelernt habe
Danach konnte ich sehr gut nachvollziehen, warum der Alte in der Segelschule bei unseren Halsen diese Unruhe hatte. Das schon bei einer 5 m Jolle und 3 Windstärken solche Kräfte walten, hätte ich vorher Keinem geglaubt und als übertrieben abgetan. Manche Dinge muss man doch mal selbst erlebt haben.
Mir hat dieser Dämpfer gut getan: Der Vorfall hat mir gezeigt hat, dass ich doch noch nicht so sicher bin wie gedacht.
Mit dem Mitsegler bin ich übrigens immer noch befreundet. Der Segelausflug hat ihm (mir bis heute unbegreiflich) so viel Spaß gemacht, dass er selber mit dem Segeln angefangen hat. Mittlerweile hat er bis zum SKS seine Scheine und begleitet mich als Co-Skipper bei Törns.
Achja: Fallt auf keinen ab nach der Halse. Das ist die Moral aus meiner Geschicht.
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