Vorwort
Ich habe mittlerweile schon mehrfach beim rein- oder rausslippen von Booten vom Typ Varianta 65 mitgeholfen. Ein Stegnachbar konnte dieses Jahr den offiziellen Krantermin nicht wahrnehmen und fragte mich deshalb:
„Marcus könntest du dabei sein, du hast das schon mal gemacht.“
Als hilfsbereiter Nachbar sagte ich natürlich zu.
Ausgangssituation
VA65
Das Boot war wie gesagt eine VA65 mit einem Gewicht von ca. 800kg. Durch das aufholbare Schwert ist das Boot slipfähig. Meine Sprinta70 hat einen Festkiel mit 1.3 m Tiefgang und kann demzufolge nur mit Kranhilfe das Wasser verlassen.
Sliptrailer
Zur Verfügung stand außerdem der originale Sliptrailer der VA65.
Teil des Trailers ist ein kleiner Slipwagen, der über eine Rampe vom Trailer fahren kann. Dabei bleibt er mit einem Stahlseil und einer Winch mit dem Trailer verbunden und wird damit auch wieder aufgeholt.
Warum der Slipwagen?
Das Auto kann den Trailer nur bis zu einer begrenzten Tiefe ins Wasser fahren. Der Auspuff ist da ein begrenzender Faktor. Es wird außerdem empfohlen das Auto nicht mit den Hinterrädern direkt an die Wasser Kante oder ins Wasser reinzufahren. Dort gibt es einen glitschigen Algenfilm, der Fahrzeugen mit Heckantrieb große Probleme machen kann. Außerdem macht er die Handbremse unter Umständen wirkungslos. Bei einem Fahrzeug mit Fronttrieb sollte man deshalb zusätzlich zur Handbremse noch einen Gang einlegen. Zusammengefasst können wir nicht so tief ins Wasser wie wir gerne würden.
Hier kommt nun der Slipwagen ins Spiel, der unabhängig vom Auto ins tiefe Wasser fährt, um das Boot aufzunehmen. Aufgrund des Eigengewichts bleibt der Slipwagen auf dem Boden und fährt dann unter Wasser die Sliprampe herunter.
Eigentlich ziemlich genial und praktisch. Ihr werdet aber gleich merken, dass es doch nicht so einfach ist.
Die Sliprampe
Die Sliprampe am Markkleeberger See wird von den Jollen Seglern des dortigen Landliegeplatzes genutzt. Außerdem nutzt die Segelschule „All on Seas“ die Rampe um die Schulboote zu Wasser zu lassen.
Aufgrund der Breite der Rampe ist es leider nicht möglich, dass die Jollen neben dem Kielboottrailer vorbeislippen. Die Varianta auf dem Trailer zu positionieren dauert eine ganze Zeit. In dieser Zeit wird die Rampe für alle anderen Benutzer blockiert. Natürlich ist es sehr stressig und unangenehm, wenn dann andere Segler auf die Benutzung warten müssen.
Beim letzten Slipvorgang dieses Jahr gab es an dieser Stelle eine sehr unschöne Situation mit einem Jollensegler. Er wollte aus dem Wasser und hatte Null Verständnis für unsere Situation und schrie und schimpfte die ganze Zeit auf uns ein. Erst als ich ihm klargemacht habe, dass es den Vorgang nicht unbedingt beschleunigt, wenn er uns von der Arbeit abhält, hat er dann etwas koopiert. Zum Glück könnte ich die Situation deeskalieren. Im Kopf sah ich nämlich schon die Schlagzeile: „Segler prügeln sich an Sliprampe“.
Operation Varianta 65 slipen
Auf den Slipwagen
Um das Boot auf den Slipwagen zu setzen, ist es erforderlich den Wagen so tief wie möglich ins Wasser zu fahren. Andernfalls verschiebt das Boot den Wagen aufgrund des Tiefgangs. Die ersten Meter ist der Slipwagen durch die Schwerkraft von alleine die Rampe heruntergefahren. Später musste ich ab und zu mit dem Bootshaken etwas helfen.
Ein Segelfreund hatte mir den Tipp gegeben an alle 4 Ecken vom Slipwagen einen Fender zu binden. Die aufsteigenden Fendern ermöglichen es dann das Boot besser zu platzieren. Aufgrund der Spiegelung der Wasseroberfläche ist dieser aus manchen Blickrichtungen „unsichtbar“.
Die richtige Positionierung der Varianta auf dem Slipwagen war eine ziemlich zeitaufwendige Angelegenheit. Der Seitenwind von 3 Bft hat die Angelegenheit noch erschwert. Mehrmals mussten wir das Boot wieder nach hinten bewegen, da es schief auf dem Slipwagen saß.
Als ich Anfang Oktober an gleicher Stelle einen gleichen Bootstyp geslippt hatte, war das Wasser noch deutlich wärmer. Der Eigner konnte deshalb mit Badehose und Schwimmbrille die korrekte Position auf dem Wagen prüfen und korrigieren.
Irgendwann nach vielem hin und her was das Boot dann endlich mittig und zur Zufriedenheit aller Slipbeteiligten auf dem Slipwagen.
Slipwagen auf den Trailer
Auf die Rampe
Jetzt eigentlich nur noch an der Winchkurbel am Trailer das Boot hochziehen! Das ging auch sehr gut bis das Boot am Trailer angekommen war. Dort stießen die Slipwagen Räder gegen die Auffahrrampe. Das gleiche Problem war uns beim letzten Mal auch schon passiert. Ursache war ein paralleler Versatz zwischen Slipwagen und Trailer von ca. 15 cm. Ursache ist, dass man beim Positionieren des Boots den Wagen am Grund schnell verschiebt.
Kurze Ratlosigkeit und Diskussion was jetzt zu tun ist. Auf die naheliegendste Lösung: Boot wieder zurück ins Wasser und dann wieder positionieren, hatte keiner Lust. Plötzlich sagte einer: „Komm wir versetzen einfach den Trailer„. Ich protestierte gegen den Vorschlag: „Das schaffen wir nie. Der Trailer wiegt viel und hinten hängen ja noch 800kg Boot dran.„. Doch 4 Mann schafften es den Trailer seitlich zu verrücken. Damit waren Räder vom Slipwagen und Auffahrrampe jetzt in einer Linie. Problem gelöst!
Ich bin immer noch verblüfft, dass es funktioniert hat und bin der Meinung, dass es eigentlich nicht funktionieren dürfte :).
Endlich hoch
Der Slipwagen mit Boot im Huckepack kletterte unter eifrigen Wincharbeiten langsam die Rampe hoch. Kurz vor dem Zielpunkt stockte der Transport plötzlich. Ursache war, dass eins der Hinterräder vom Wagen sich in der Auffahrrampe an der seitlichen Begrenzung verklemmt hatte. An sich kein großes Drama. Nochmal runterfahren, den Trailer eventuell noch leicht umpositionieren und wieder hoch.
Das Slipwagen fuhr aber nicht wieder zurück nach unten, da das verklemmte Rad als Stopper wirkte. Jetzt passierte das eigentliche Drama:
Der Eigner wurde ungeduldig und schob mit den Händen vorne am Bug um die Verklemmung zu lösen. Der Wagen blieb trotzdem auf der Stelle stehen. Das Boot hingegen rutschte vom Wagen runter und kam mit einem höchst unschönen Geräusch auf der Sliprampe jäh zum Stillstand.
SCHHH….
Bergung
Etwas fassungslos starrten wir auf das Malheur. Der Weg zurück ins Wasser war komplett unmöglich. Das Boot war in solch flachem Wasser, dass es bei jedem Versuch in diese Richtung durch den Kiel seitlich umgekippt wäre.
Der Weg nach vorne zurück auf den Trailer wäre zwar prinzipiell frei aber mit riesigen Kraftanstrengungen verbunden. In meinem Kopf dacht ich: „Das wars. Aus der Nummer kommen wir ohne einen Autokran nicht wieder raus!„
Aber das Schicksal sollte sich noch einmal wenden. Der Fahrer der Zugmaschine (ein Freund vom Eigner) hatte in seinem Pickup allerhand Offroad Spielzeug dabei. Dazu gehörte insbesondere ein Greifzug. Ein Greifzug ist eine Art Winch in die ein Stahlseil aufgewickelt wird. Seitlich wird ein Hebel eingeführt, mit dem man je nach Ausführung mehrere Tonnen ziehen kann.
Als Anschlagpunkte verwendeten wir den Trailer und den Kiel der Varianta. Dieser hat standardmäßig ein kleines Loch (dazu später mehr). Alle Schäkel befanden sich leider im havariertem Boot und aufgrund der Schräglage unerreichbar. Irgendwo fand sich dann doch noch eine passende Schraube.
Mit kleinen Ruck Bewegungen kam das Boot wieder auf zurück auf den Slipwagen. Dann plötzlich ein heftiger Knall und ein bereits bekanntes dumpfes Aufschlaggeräusch. Stahlseil gerissen? Greifzug kaputt?
Die Schraube im Kiel hatte der Belastung nicht standgehalten. Das Boot war wieder zurück in die Ausgangssituation gerutscht.
Sehr frustrierend alles! Unser Zeitplan war mittlerweile bereits mehrere Stunden überschritten.
Bergungsversuch 2
Es fand sich noch eine Schraube für einen weiteren Versuch. Diesmal kamen außerdem zwei große Spanngurte zum Einsatz. Die Spanngurte sollten den Bug auch noch etwas nach vorne ziehen und absichern.
Dieses Mal machten wir nicht den Fehler das Boot in der Schräge bis zur Endposition auf den Slipwagen hochzuziehen (dabei war ja die Schraube geplatzt). Stattdessen zogen wir Slipwagen und Boot zuerst komplett auf den Trailer drauf. Das konnte unter parallelem Einsatz von Trailerwinch und Greifzug erfolgen. Oben angekommen konnte das Boot dann mithilfe vom Greifzug nach vorne geruckt werden. Etwas WD40 unter den Kiel erleichterte die Arbeit.
Happy End!
Soweit ich es sehen konnte, wurde das Boot bei der Aktion nicht beschädigt. Vielleicht ein paar Kratzer unten am Kiel.
Zu Bruch gegangen ist die Plastikschraube vom Torqeedo Außenbordmotor. Der war leider am Heck noch befestigt…
Fazit
Unfallursache
Natürlich habe ich reflektiert, was an dem Tag eigentlich schiefgelaufen ist. Auch mit ein paar befreundeten Varianta Eignern geschrieben.
Was bei uns am Slipwagen fehlte, ist eine Sicherung in Form einer Metallkette mit einem Wantenspanner und einem stabilen Schäkel. Diese Sicherung kommt durch das Loch im Kiel welches wir bei der Bergung auch genutzt hatten.
Wäre diese Sicherung vorhanden und angeschlagen gewesen, hätte das den Absturz verhindert.
Trotz der fehlenden Sicherung wäre es aber zu keinem Vorfall gekommen, wenn der Eigner nicht unüberlegt das Boot mit vollem Körpereinsatz nach hinten geschoben hätte.
Lessons learned
Das Slippen von größeren Booten ist nicht zu unterschätzen. Im Gegensatz zu einer 180 kg schweren Ixylon kann man ein runter gefallenes Boot nicht mal eben mit 4 Leuten wieder drauf setzen.
Bei nicht idealen Slipbedingungen, wie in unserem Fall, würde ich nach Möglichkeit immer den Kran wählen. Die paar Euro für den Kran sind meiner Meinung nach den Stress nicht wert.
Was ich noch gelernt habe ist, dass sich auch scheinbar ausweglose Situationen mit dem richtigen Werkzeug (Greifzug) und Einfallsreichtum lösen lassen.
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