Vorwort
2019 habe ich die praktische Prüfung zum Sportseeschifferschein (SSS) erfolgreich vor Cuxhaven abgelegt. Ein wichtiger Teil der Prüfung ist das Mann über Bord Manöver. Nach meiner persönlichen Erfahrung fallen dort auch die meisten Kandidaten durch.
Auf dem Törn lernte ich Ingo aus Dresden kennen. So richtig Zeit zum Quatschen war leider nicht, da alle unter großem Prüfungsstress standen und Zeit knapp.
Leider ist Ingo beim MOB Manöver durchgefallen. Kann passieren und ist meine Schande. Bei mir selbst hat es auch erst im zweiten Anlauf geklappt.
Bei der Verabschiedung gab ich Ingo noch meine Website und meinte: „Schreib mir doch mal. Von Dresden nach Leipzig ist es nicht weit. Da können wir gerne mal zusammen segeln.“
Unerwartete Post
Irgendwie hatte ich Ingo dann ehrlicherweise schon fast wieder vergessen. Wir hatten uns ja nur 2 Tage gesehen und nicht wieder voneinander gehört.
Im April trudelte dann über mein Kontaktformular unerwartet eine Mail ein:
…Du hattest zur Prüfung das Quickstopmanöver sehr souverän gefahren. Meine Frage: könntest Du dir vorstellen mir dieses Manöver mal beizubringen
Viele Grüße aus Dresden und bleib gesund
Ingo.“
Und ob ich Lust hatte!
Segelunterricht in Leipzig
Hintergrund
Auf meiner Ixylon Jolle konnte ich schon mehreren Freuden/Bekannten erfolgreich Segeln beibringen. Die Schüler waren in diesem Falle jeweils komplette Segelanfänger, bei ich ganz von vorne anfangen musste.
Bei Ingo war die Situation ganz anders. Er hatte bereits die für den SSS geforderten > 1.000 Seemeilen absolviert und auch über längere Zeit mit einer eigenen Jolle Erfahrung gesammelt. Er brauchte also anders als meine vorigen Segelschüler keine Grund Besohlung, sondern nur einen kleinen Feinschliff quasi eine „Master Class“.
Zwei Termine in Leipzig waren auch schnell gefunden. Da meine Urlaube Corona bedingt alle ausgefallen waren, war es nicht schwer etwas zu finden. Trainingsort natürlich mein eigenes Boot, eine Sprinta70 von Dehler in der Nähe von Leipzig.
Segel Training in Leipzig
Erster Trainingstag
Unter anfangs noch vollen Segeln überließ ich Ingo die Pinne meiner Sprinta. Zum warm werden ließ ihn den Markkleeberg See hoch und runter kreuzen. Nachdem das gut klappte, kamen die ersten Halsen hinzu.
Der Wind nahm immer weiter zu, sodass wir das 1. Reff ins Großsegel einbinden mussten. Wenig später war das 2. Reff dran und auch meine reffbare Fock musste verkleinert werden.
Quickstop
Der eigentliche Grund für Ingos Anwesenheit in Leipzig war ja, dass er gerne das Quickstop Man über Bord Manöver von mir lernen wollte. Quickstop hat gegenüber einer klassischen Q-Wende verschiedene Vorteile.
Anders als bei einer Q-Wende bleibt man sehr dicht beim über Bord Gefallenen. Auf dem Markkleeberger See ist das nicht von Belang, wohl aber bei schwierigen Wetterbedingungen auf dem Meer. Man verliert einen Kopf zwischen den Wellen viel zu schnell aus den Augen. Des Weiteren kann das Quickstop Manöver auch mit kleiner Crew bzw. Einhand gefahren werden, da die Schoten sehr wenig bedient werden müssen.
Teil des Quickstop Manövers ist die Fahrt mit einer Back stehenden Fock (wie beim Beiliegen). Meine Sprinta hat allerdings eine Selbstwendefock, die nicht Back stehen kann. Sie fährt dann auf der Schiene einfach auf die andere Seite und öffnet sich wieder. Um mit Ingo realistisch üben zu können, bin ich bei jedem Quickstop Manöver nach vorne gegangen und habe den Selbstwendefockschlitten mit einem Zeising am Want fixiert.
Ingo konnte das Manöver bereits nach kurzer Zeit eigenständig fahren. Wichtig ist meiner Meinung nach sich selbst ein festes Schema einzuprägen, was man immer wieder übt und dann im Prüfungs- oder Ernstfall abrufen kann. Das kann man dann wie ein Roboter stur abarbeiten.
Meine Quickstop Reihenfolge (die ich auch Ingo beigebracht habe):
- Boje über Bord ansagen. MOB Taste drücken. Eine Person beobachtet die Boje und zeigt die Richtung an.
- Groß und Fock dicht
- „Klar zur Wende“ ansagen
- Wende
- Motor starten
- Klar zur Halse ansagen
- „Rund-achtern“ ansagen
- „Groß auf und Fock loswerfen“ ansagen
- Aufschießer zum MOB fahren
- „Crew bereit zur Aufnahme an Steuerbord“ ansagen
- Gegeben falls mit Maschine etwas abbremsen oder beschleunigen
- „Boje aufnehmen“ ansagen
Tear drop
Das Quickstop ist bei einem MOB auf Raumen Kursen nicht das schnellste Manöver zurück zur Person. Man würde einen unnötig großen Kreis um die Person fahren und dadurch (eventuell wertvolle) Zeit verlieren.
Gerade bei einer SSS Prüfung möchten die Prüfer sehen, dass keine unnötigen Wege zurückgelegt werden.
Meine Tear drop Vorgehensweise:
- „Motor starten“ ansagen
- Halse fahren inkl. Kommandos: „Klar zur Halse“, „Groß dicht“, „Rundachtern“
- Aufschießer zum MOB fahren
- „Klar zur Aufnahme“ ansagen
- „Groß auf und Fock loswerfen“
- „Aufnahme der Boje“ ansagen
Das Manöver ist auch komplett ohne Motoreinsatz möglich. Allerdings klappt das nur, wenn man sehr schnell reagiert, da man beim Aufschießer nur einen begrenzten Weg zurücklegen kann. Starker Wind und Welle verkürzen diesen Weg noch weiter.
Zusammenfassung erster Tag
Wir hatten einen sehr intensiven Segeltag mit vielen vielen Manövern. Ich vermute, dass Ingo ebenso wie ich vom Quickstop geträumt. Trotz voll gereffter Segel lief das Boot noch gute 5,2 kn.
Zur Mittagszeit brauchten wir eine Stärkung, zu der mich Ingo ins nahegelegene Restaurant eingeladen hatte.
Am Ende des Tages standen stolze 17,1 sm auf der Logge!
zweiter Tag
Um die MOB Manöver noch weiter zu festigen, hatten wir noch einen weiteren Übungstag organisiert. Der Wind war noch stärker als am ersten Tag und das Boot legte sich trotz maximal gereffter Segel ordentlich auf die Backe. Mein Job auf dem Vorschiff, der das Festsetzen der Fock und die Bergung der Boje beinhaltete, wurde dadurch relativ anstrengend. Man will ja auch nicht unbedingt vor seinem Segelschüler vom eigenen Boot fallen. Das wäre schon peinlich!
Ingos Quickstops liefen dieses Mal noch einiges besser als am ersten Tag. Wir sind das Manöver zum üben größtenteils ohne Motor gefahren. Das ist schwerer, da man dann sauberer fahren muss. In der Prüfung oder im Ernstfall kann mit Motorunterstützung das Boot noch beschleunigt oder abgebremst werden.
Irgendwann wurde der Wind so kräftig, dass ich den Segeln das starke Schlagen in den Aufschießern lieber nicht mehr zumuten wollte. Wir sind deshalb lieber noch ein paar Wenden und Halsen gefahren.
Trotzdem Ingo früher losmusste, standen am Ende immerhin 10 sm auf der Logge.
Anlegen musste ich dann (wie so oft) mit Rückwind. Dabei stoppte ich das Boot mit viel Gas in der Box auf. Durch Aufstoppen vor der Box würde ich die Steuerfähigkeit zu früh verlieren und vertreiben. Jedenfalls klappte das Manöver (wie fast immer) reibungslos. Möchte auch sein, so oft wie ich da rein- und rausfahre!
Unten am Steg sprach mich dann ein freundlicher Handwerker mit breitem sächsischen Dialekt an: „Ich hab dich gesehen wie du da gerade reingefahren bist. Ich sach zu meinem Kollegen: DER hat so ein BUUUMS droff, gleich krachts. Und dann plötzlich BRUMMM steht er genau in seiner Lücke.“
Ich habe mich brav bedankt. Natürlich habe ich mich über das unerwartete Kompliment gefreut, passiert ja nicht alle Tage!
Nach den zwei Intensivkurs Tagen konnte ich Ingo ruhigen Gewissen und gut vorbereitet aus meiner Obhut entlassen. Meine Oberschenkel hatte von den vielen MOB Bergungen noch einige Tage Muskelkater.
Die SSS Praxisprüfung
Ein paar Monate später kam dann die Nachricht von Ingo: „Habe die SSS Prüfung bestanden!“. Juhu! Er ist das Quickstop Manöver bei seinem Prüfungstörn auf der Ostsee gefahren und es hat wie geübt geklappt. Der konservativ eingestellte Prüfungssauschuss, war generell dem Thema Quickstop leider wohl nicht so aufgeschlossen. Die meisten SSS Prüflinge fahren immer noch eine Q-Wende, was ich aufgrund der oben genannten Vorteile des Quickstops nicht nachvollziehen kann.
Ich war mega stolz, dass mein Segelschüler Ingo auch bei der Prüfung das Manöver gut abgeliefert hat. Man steht unter großem Druck in der Prüfung und viele unvorhergesehene Dinge können plötzlich passieren.
Ich erzähle gerne die Geschichte von einem Freund, bei dem während der SBF-Binnen Prüfung auf der Elbe plötzlich ein Wasserflugzeug im Prüfungsgebiet gelandet ist. Auf alle möglichen Situationen kann ein Segellehrer niemals vorbereiten!
Großen Respekt an Ingo, dass er den SSS bestanden hat. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sowohl theoretisch als auch praktisch ein hohes Niveau abgefordert wird.
Fazit
Ich hatte mit Ingo an den beiden Übungstagen viel Segelspaß. Die insgesamt 27 sm haben auch mir in dieser anstrengenden Coronazeit gut getan.
Das Ingo das Quickstop Manöver unter meiner Anleitung gelernt hat und es auch in der Prüfung zum SSS erfolgreich anwenden konnte, war eines meiner persönlichen Highlights im Jahr 2020!
Folgende Referenz hat mir Ingo geschrieben:
Ich habe Marcus im vergangenen Jahr in Cuxhaven kennen gelernt. Da ich Dresdner bin, also in der Nähe von Leipzig wohne, lud er mich nach Leipzig zum Segeln ein.
In diesem Frühjahr haben wir uns dann zum Segeln verabredet. Ein spezieller Wunsch von mir, auch im Hinblick auf eine Praxisprüfung im Herbst, war das Üben von Rettungsmanövern und im speziellen das Quickstop Manöver. Dieses kannte ich bisher nur aus Büchern. Mitte Juni trafen wir uns am Bootssteg vom Markkleeberger See, wo sich der Liegeplatz von Marcus Dehler Sprinta 70 befindet. Es wehte ein ganz ordentlicher Wind, so dass wir gleich mit gerefften Segel gefahren sind. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit Marcus zu segeln. Er ist ein sehr geduldiger und besonnener Lehrer. Durch seine Hilfe hatte ich das Quickstop Manöver in zwei Tagen so beherrscht, dass es für mich in der Prüfung das Manöver meiner Wahl war. Fühlte mich zwar in der Prüfung etwas wie ein Außenseiter, da alle Anderen die Q-Wende wählten, aber Prüfung bestanden.
Vielen Dank Marcus.
Weitere Referenzen von mir findet ihr hier.
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