Einleitung
Anfang September wollte ich Abends noch eine Runde segeln. Einhand, da sich so spontan kein Mitsegler fand. Ein paar sehr stürmische Tage mit Böen von 40 kn hatten Segeln für einige Zeit unmöglich gemacht. Die Sehnsucht nach dem Wasser war deshalb groß.
Raus aufs Wasser
Ich zog also wie immer mein Standardprogramm durch. Großsegel auspacken, Motor starten und dann die Landleinen los. Danach zügig aber nicht hektisch zurück ins Cockpit (ich liege mit Bug zum Steg). Dann beherzt den Rückwärtsgang rein und raus aus der Box.
Bis dahin lief auch alles absolut planmäßig. Vorerst! Jedenfalls fuhr ich das Boot im Rückwärtsgang raus aus der Flachwasserzone. Dann schaltete ich am Motor von Rückwärts auf Vorwärtsfahrt um. Ein lautes Klickgeräusch und der Motor war aus. Kann schon mal passieren, wenn der Motor noch kalt ist und nicht genug Gas gegeben wird. Also zurück auf Leerlauf geschaltet und den Motor mit Seilzug wieder gestartet. Erfreulicherweise ging er auch gleich wieder an. Dieses Mal habe ich etwas mehr Gas gegeben beim einkuppeln. Gleiches Ergebnis: der Motor ging sofort aus.
Kein guter Zeitpunkt
Jetzt war die Situation etwas unangenehm. Ich war nur ca. 15 m vom Steg und von den anderen Booten weg. Noch unangenehmer: das größte Schiff der Personenschifffahrt am Markkleeberger See, die MS Markkleeberg, hatte bereits die Maschine ein gekuppelt (erkennbar am starken Schraubenstrom). Das ist das Zeichen, dass bald abgelegt wird. Das Personenschiff fährt immer genau die Linie, auf der ich gerade mit meinem manövrierunfähigen Dampfer hing. Mist! Ich merkte wie ein paar unangenehme Stressgefühle in meinem Kopf aufkamen. Zu mir selbst sagte ich: „Ruhig bleiben Skipper Marcus, das bekommst du irgendwie hin!“.
Warum stoppt der Motor?
Ich ging nochmal innerlich meine Motorcheckliste durch:
- Benzin vorhanden -> Jaa reichlich
- Benzinhahn und Tankentlüftung offen -> Jo
- Choke Knopf reingedrückt -> Jo
Wie ich so hinten an meinem Motor hantiere und konzentriert nach der Problemursache suche, fällt mir etwas auf. Hinten zieht mein Boot einen mehrere Meter langen Schwanz in Form einer dicken Leine nach. Sofort war mir klar: „Die hast du dir um die Schraube gewickelt!“. „Wo kommt diese verdammte Leine her?!?!“ Ziemlich schnell klärte sich auch das: Es handelte sich um keine böswillige Sabotage, sondern es war meine eigene Fockschot. Ich konnte die Schuld also nicht mal auf andere schieben.
Klar hätte ich das Großsegel setzen können, um mich erstmal ein Stück weg zu manövrieren. Das hätte das Problem aber nur nach hinten verlagert. Unter Segel anlegen habe ich auch schon gemacht, Einhand ist das aber kein Spaß.
Leine raus aus der Schraube
Die verdammte Leine musste also dringend raus aus der Schraube. Mir war aber schon klar, dass ich mindestens bis Hüfthöhe ins Wasser muss. Das ist für eine Jeanshose im September nicht ideal. Kurz dachte ich sogar über die Option nach, die anstehenden Arbeiten FKK zu erledigen. Aber den Anblick wie ich da mit nacktem Hintern an meinem Boot hänge, gönnte ich niemandem und wollte das auch Niemanden zumuten. Also schnell nach unten in die Kajüte und die Badehose angezogen.
Da die Schraube relativ tief ist (wäre ja sonst eine Luftschraube), musste ich auf der untersten Sprosse der Badeleiter hocken. Dann mit dem linken Arm an der Badeleiter festhalten und mit dem rechten Arm die Leine abwickeln. Ziemlich Kraft raubend. Da sagt mal einer Segeln ist gar kein richtiger Sport!
Zum Glück ist die Schot eine relativ dicke Leine von 8 – 10 mm und ging dementsprechend leicht wieder raus. Eine dünnere Leine hätte sich deutlich fester um den Propeller gewickelt.
Als die Leine raus war und der Motor wieder lief, war ich extrem glücklich über das ratternde Motorengeräusch. Normalerweise nervt es mich, aber in dieser Situation war es eine Sinfonie in meinen Ohren.
Zeit zum Entspannen
Ich hatte nach dem Vorkommnis noch einen herrlichen Segelabend. Ein bisschen wie beim Pferd, wenn man runterfällt sofort wieder drauf.
Wie konnte das überhaupt passieren?
Natürlich hab ich darüber nachgedacht wie es zu dem Vorfall kommen konnte: Ich lege die Fockschot immer in Buchten um eine Winch. Der Starkwind muss diese Leine Richtung Bug ins Wasser geblasen haben. Solange ich Rückwärts fuhr, ging die Leine vorne am Bug irgendwo. Beim Richtungswechsel hab ich sie dann über- und eingefahren.
Fazit
Irgendwann musste es ja mal passieren. Leine in der Schraube und auf Grund gelaufen zählen zu den typischen Dingen, die einem Skipper irgendwann mal passieren (müssen).
Das waren jedenfalls ein paar spannende Minuten. Ich habe die Nerven behalten und konnte das Problem relativ schnell identifizieren und lösen. Darauf bin ich stolz. Nächstes Mal bin ich in der Lösung schneller.
Was ich hätte besser machen können?
Mein Außenbordmotor lässt sich über eine Talje aufholen. Hätte ich den Motor damit einfach hochgezogen, wäre meine Position auf der Badeleiter deutlich angenehmer gewesen. Darauf bin ich in der Aufregung nicht drauf gekommen.
Was hätte ich noch machen können?
Skipper Stephan hat mir neulich am Telefon von einem ähnlichen Erlebnis erzählt. Er konnte die Leine raus wickeln, in dem er den Rückwärtsgang benutzt hat. Auch eine gute Idee, gerade wenn die Schraube unter dem Rumpf sitzt.
Was mache ich ab sofort anders?
Ein Kontrollblick vor Abfahrt, ob Leinen insbesondere die Fockschot ins Wasser hängen.
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