Vorwort
Seit einem Monat ist mein Boot jetzt schon im Wasser. Höchste Zeit mal davon zu berichten und ein kleines Zwischenfazit zu ziehen.
Schließlich ist in dieser Zeit schon einiges passiert…
Saisonauftakt Segeln
Kranen
Der ursprüngliche Krantermin Mitte April musste aus Corona Gründen abgesagt werden.
Glücklicherweise wurden bei uns in Sachsen die Corona Restriktionen für Wassersportler relativ frühzeitig wieder gelockert. Viele Wassersportler in anderen Bundesländern hatten da deutlich weniger Glück.
Der Krantermin war am 25.04, genau 2 Wochen nach dem ursprünglich geplantem Termin. Also gar nicht viel Zeit verloren.
Wieder musste ich auf den Trailer klettern und die Gurte vom Kran befestigen. Die Schäkel sind dermaßen groß und schwer, dass man die auch nicht unbedingt ans Boot schlagen sollte.
Mehrmals schon war ich in den letzten Jahren beim Kranen meiner Sprinta 70 dabei (damals war es noch nicht mein Boot). Als Gast und Helfer ist es aber doch ein bisschen entspannter. Als Eigner das eigene Boot am Haken zu sehen ist definitiv etwas anderes. „Hoffentlich geht alles gut.“
Natürlich ging alles gut und auch die Bilge blieb trocken.
Der zweite spannende Moment war für mich der Start des Außenbordmotors. Eigentlich lief er immer, aber wer weiß? Der zeitliche Druck war hoch, da es bei uns am See nur einen einzigen Krantermin gibt. Entsprechend eng getaktet sind die Zeitfenster. Da möchte man natürlich nicht das Boot sein, dass mit einem defektem Motor den Kranplatz blockiert.
Aber auch hier lief alles gut. Ich hatte den Motor im Winter auch extra in der Durchsicht. Neues Öl, neue Kerze etc. Das ist mir lieber als irgendwo liegenzubleiben.
Maststellen
Richtig komplett ist so ein Segelboot aber erst, wenn auch der Mast steht. Die Aktion des Maststellens ist bei meinem Kielboot deutlich anspruchsvoller als auf der Jolle. Bei meiner Ixylon Jolle wiegt der Mast nur ca. 20 kg wird von 2 Wanten gehalten. Das lässt sich mit 2 Personen angenehm bewältigen.
Bei meiner Sprinta 70 ist der Mast deutlich massiver und demzufolge schwerer. Gehalten wird er von 6 Wanten, Vorstag und Achterstag. Hinzu kommen noch 2 Hilfswanten. Die Hilfswanten sind bei stehendem Mast ohne Spannung. Sie haben nur die Funktion den Mast beim Mastlegen und Maststellen seitlich zu stabilisieren.
Eigentlich hat meine Sprinta 70 eine Mastlegevorrichtung. Das bedeutet, dass vorne am Baum der Spinnakerbaum befestigt wird, welcher wiederum in das Vorstag eingeklinkt wird. Vorne an das Vorstag kommt noch eine Talje um die nötige Kraft aufzubringen. Soweit die Theorie.
In der Praxis riss der frisch reparierte Beschlag aus dem Mast, an dem die Mastlegevorrichtung montiert wird. Meine Begeisterung lässt sich mit dem Wort „Sch**e“ zusammenfassen.
Der Mast musste also irgendwie manuell gestellt werden. Das gelang erst nach mehreren Versuchen und einigen Helfern. Die Nachbarboote vom Typ Varianta 65 hatten da einen sichtbar entspannteren Job mit dem Mast.
Nach dem Maststellen ließ sich das Vorstag nicht einhängen, da der Mast noch leicht nach Achtern geneigt war. Sehr frustrierend alles. Meine Stimmung war nur noch bei 2/10.
Die Rettung kam dann in Form einer Tütensuppe, die ich mir mit meinem neuen Gaskocher erwärmte. Ein paar Minuten ruhig sitzen und nachdenken und etwas Warmes im Bauch. Das hilft immer.
Schließlich habe ich herausgefunden, dass die gespannten Oberwanten das vollständige Maststellen verhindert haben. Endlich!
Am Abend bin ich dann unter Motor noch eine kleine Runde zur Entspannung auf dem See gefahren. Man vergisst ja sonst in dem ganzen Aufbaustress, wofür man es überhaupt tut.
Den Abend zuhause war ich so fertig wie lange nicht. Rücken, Arme, Beine alles kaputt. Erstaunlicherweise besonders die Oberschenkel. Immer rein und raus aus dem Cockpit ist eine Art Kniebeuge.
Aber das Boot war im Wasser und der Mast stand auch, dafür müssen Opfer gebracht werden.
Die nächsten Tage dann noch die Segel angeschlagen und auch den Innenraum etwas in Ordnung gebracht. Viele Kleinigkeiten wie ein Mülleimer, eine Tasche für die Winschkurbel oder ein Kettenvorläufer für den Anker mussten noch besorgt (und leider auch bezahlt) werden.
Ein Problem was ich unbedingt lösen musste war der Rückwärtsgang vom Außenbordmotor. Schon der Voreigner hatte das Problem, dass der Motor bei viel Gas hochgedrückt wurde. Den Motor manuell runter zu drücken konnte nicht die Dauerlösung darstellen. Über ein Internetforum bekam ich den entscheidenden Tipp die Trimmstange vom Motor zu überprüfen. An dieser Stange hakt sich die Verriegelung ein. Und schon bleibt der Motor in Position!
Erfahrungen mit dem Boot
Bei den ersten Fahrten mit dem „neuen“ Boot bin ich vorsichtig vorgegangen. Erstmal daran gewöhnen wie sich das Boot bei Wind verhält und wie es manövriert. Gut gefällt mir als ehemaligem Jollensegler, dass sich das Boot sehr feinfühlig und direkt steuern lässt. Man spürt das Boot an der Pinne und das ist mir wichtig. Was mir aufgefallen ist, dass es im Gegensatz zur Jolle länger dauert, bis das Boot seine jeweilige Endgeschwindigkeit erreicht. Kein Wunder bei 1.300 kg.
Selbstwendefock
Als Vorsegel habe ich eine Selbstwendefock. Gerade Einhand oder mit kleiner Crew ist es eine große Erleichterung nicht bei jeder Wende/Halse kurbeln zu müssen. Die Schot meiner Selbstwendefock läuft unten durch die Relingstützen und anschließend über 3 Rollen. Durch die große Reibung ließ sich die Fock bei wenig Wind nicht fieren. Als Übeltäter hatte ich schnell zwei billig Rollen aus dem Baumarkt ausgemacht. Nach die durch Rollen mit Kugellager getauscht habe, braucht man keine Winsch mehr zu dichtholen und auch das fieren klappt.
Die Selbstwendefock selbst ist allerdings Austausch würdig. Auf Am-Wind Kurs killen Unterliek und Achterliek die ganze Zeit. Man kann trimmen soviel man will. Das Tuch ist ausgereckt, Liekleinen gibt es leider nicht. Ein neues Segel passt leider momentan nicht ins Budget (war alles schon teuer genug). Ich fahre die Fock deshalb bis sie auseinanderfällt.
Vorsegel Rollanlage
Mein Vorsegel ist ein Stagreitersegel, das vor jeder Fahrt angeschlagen werden muss. Dazu den Segelsack aufs Vorschiff, die Stagreiter am Vorstag einhängen und insgesamt 3 Schäkel verbinden. Wenn man weiß wie es geht, eine Sache von 3 Minuten. Für die Mitsegler ist es auch eine interessante Sache auf dem Vorschiff zu arbeiten.
Nur Einhand bei etwas mehr Wind ist der Prozess mühselig.
Rückblick
Mein bisheriger Geschwindigkeitsrekord liegt bei 5,4 kn. Das liegt noch einen Knoten unter der Rumpfgeschwindigkeit. Beim Trim kann ich sicher noch etwas optimieren. Auch die alten Segel habe ich etwas im Verdacht.
Mittlerweile (1 Monat nach dem Krantermin) habe ich bereits 93 sm also 167 km auf dem Markkleeberger See zurückgelegt (natürlich Größtenteils unter Segel). Genutzt habe ich dafür auch meine zwei Wochen Urlaub, die eigentlich für eine Bootsüberführung von Lissabon nach Brest geplant waren. Aber in diesen Zeiten muss man flexibel sein. Ich bin dankbar, dass ich überhaupt irgendwo segeln kann!
Gerade an kalten Tagen ist es ein großer Komfortgewinn sich einen heißen Tee an Bord zubereiten zu können. Auch eine Decke für fröstelnde Passagiere darf nicht fehlen. Das klingt erstmal trivial, auf meiner Jolle war sowas aber überhaupt nicht möglich.
Auf Grund gelaufen
Wir fahren uns fest
Eines schönen Abends letzte Woche war ich mit einem Segelfreund auf dem Wasser. Eben jener Freund mit dem ich damals in der Ixylon gekentern bin.
Nur leichter Wind, der nur für 2kn Fahrt reichte. Wir waren nördlich der Insel auf dem Markleeberger See und ich wusste, dass es dort Untiefen gibt. „Lass uns mal wenden, hier wird es bald flach.“ Kurz nach der Wende zeigte das Lot nur noch 5 m unter Kiel an. Ein paar Sekunden später wurde unsere Fahrt sanft auf 0 kn gebremst und die Wassertiefe blieb bei 1 m stehen. Auf Grund gelaufen!
Durch den extrem weichen Boden und unsere geringe Fahrt gab es immerhin keine Gefahr von Beschädigungen.
Versuche wieder freizukommen
Die ersten Versuche das Boot mit Rückwärtsgang rauszubringen scheiterten. Also erstmal die Segel geborgen. Die erzeugten zwar eine Krängung (was positiv für den Tiefgang ist), wirkten aber gegen die Kraft vom Rückwärtsgang des Motors.
Mit einem Bootshaken haben wir vor und hinter dem Boot die Tiefe gelotet. Meine Idee war mehrere Bootshaken als Stakstangen einzusetzen. Allerdings war der Boden dafür viel zu weich.
Da ich bezüglich der Position der Untiefe im Unklaren war, entschied ich mich gegen den Vorwärtsgang. Da bestand die Gefahr uns noch tiefer in die Untiefe einzugraben.
Also weiter kräftig Rückwärtsgas gegeben. Das Boot drehte sich auch je nach Ruderlage. Es saß also irgendwo mittig auf dem Kiel.
Das Log zeigte bis zu 1 kn Fahrt an. Das war aber leider noch kein Grund zum Jubeln. Die Erklärung war einfach, dass der Motor einen solch kräftigen Wasserstrom erzeugte, der auch vor dem Kiel noch ausreichte, um das Rad der Logge zu drehen.
Anders als bei meiner Kenterung mit der Jolle damals waren wir Beide sehr entspannt. Wir hatten Essen, Getränke und auch Kommunikation zur Außenwelt. Auch nicht zu verachten: 5 l Benzin im Kanister (genug für einige Stunden Versuche).
Noch ein Versuch
Schließlich hat mein Freund das Steuer übernommen und abwechselnd Backbord/Steuerbord gesteuert mit der Pinne.
Gleichzeitig habe ich den Baum ausgeschwenkt und mich darauf gehangen, um den Tiefgang zu reduzieren.
Plötzlich waren wir wieder frei. JUHUUUUU! Rausgefahren bin ich wieder auf dem gleichen Weg. Keine weiteren Risiken eingehen!
Wir waren natürlich überglücklich und konnten noch 2 schöne Stunden segelnd auf dem Wasser verbringen. Wie lange die Befreiungsaktion gedauert hat kann ich im nachinein nicht mehr sagen. Die Uhr im Kopf tickt in solchen Situationen einfach anders. Ich denke 45 min werden es schon gewesen sein.
Wir hatten noch ein paar Pläne im Kopf (mit langer Leine zur Insel schwimmen und an einem Baum fest machen oder einen Anker ausbringen), die wir zum Glück nicht umsetzen mussten.
Die Position
Was habe ich daraus gelernt?
Unser See ist ein gefluteter Tagebau. Dadurch ist die Wassertiefe sehr groß (bis 60 m). Allerdings gibt es auch einige unerwartbare Untiefen (von denen wir eine erwischt haben). Durch die Tagebaubagger haben wir an manchen Stellen in einer Entfernung von nur 40 m zum Ufer noch 40 m Wassertiefe. Durch diese steil ansteigenden Uferwände hilft das Lot nur begrenzt.
Karten gibt es für unseren kleinen See natürlich nicht. In der Seekarten App Navionics gibt es Tiefenangaben die ein User in die Cloud hochgeladen hat (Sonar Chart). Die Daten sind aber nach meinem Vergleich sehr ungenau und nicht hilfreich.
In Kurzform: Man muss sein Gewässer gut kennen!
Ich bin froh, dass ich bei dieser Aktion nicht alleine an Bord war. Da hätte ich wahrscheinlich arge Probleme bekommen. Es war außerdem ein entscheider Vorteil mit einem Benzinmotor unterwegs zu sein. Mit einem Elektro Außenbordmotor wäre ich wahrscheinlich nicht so einfach wieder herausgekommen.
In Zukunft mache ich um diesen Bereich garantiert einen großen Bogen.
Fazit
Ich kann sagen, dass ich den ersten Monat auf dem See definitiv intensiv genutzt habe. Viele Dinge musste ich neu lernen, z.B. das Rigg zu trimmen. Als Chartersegler bin ich mit solchen Themen bisher nicht in Berührung gekommen. Wenn da etwas nicht passt rufe ich verständlicherweise die Basis an und sage: „Repariert das bitte“.
Manchmal beneide ich die Segelfreunde aus anderen Teilen der Republik um die Infrastruktur. Bootsbauer, Segelmacher, Rigg etc. sind dort kein Problem. Bei uns muss man alles irgendwie selber machen/bestellen oder das Boot quer durch das Land fahren.
Comment
[…] schöne Stelle habe ich in der Nähe der Insel gefunden. Natürlich mit gebührendem Abstand, da die Insel Naturschutzgebiet ist und deshalb auch […]