Vorwort
Gestern ist das passiert, was eigentlich nie passieren sollte: Wir sind mit der Ixylon gekentert. Aber erstmal der Reihe nach:
Ein Freund wollte mit mir eine Runde auf dem Cospudener See Segeln. Er ist nicht segel unerfahren (SKS etc.). Mit Jollen hat er aber noch nicht viel Jollen soviel Erfahrung. Geplant war ein paar Manöver zu üben und einen entspannten Nachmittag auf dem Wasser zu verbringen. Angesagt waren 12 kn Wind. Ideale Bedingungen um mit anständiger Geschwindigkeit, aber trotzdem stressfrei zu segeln.
Die Pinne habe ich gleich meinem Freund übergeben. Er wollte es schließlich lernen.
Die Kenterung
Ich sitze vorne als Vorschoter, habe aber einen wachen Blick auf meinen Rudergänger. Der Wind ist moderat, eine Windstärke 2 vielleicht. Nicht genug um mit 2 Personen auf der Bordwand in Luv zu sitzen. Aufmerksam werde ich auf einen dunklen Schatten, der nördlich auf dem See liegt. „Schau mal Alex, dort gibt es mehr Wind. Cool!“ sind meine Worte. Es sieht keineswegs bedrohlich aus. Etwas mehr Wind aber keine Schaumkämme oder andere Anzeichen, die auf eine Gefahr hindeuteten.
Wir steuern in den Bereich mit dem stärkeren Wind. Mit einem Ruck legt sich das Boot und krängt stark. Ich springe auf die Bordwand, um Gegengewicht auf die Kante zu bekommen. Doch das reicht nicht. Das Boot krängt weiter. Mein Freund hält die Großschot vorbildlich in der Hand. Er ist allerdings von den Ereignissen überfordert und gelähmt. Ich reiße ihm die Großschot aus der Hand und werfe sie los. Die Situation bessert sich ein wenig. Ich denke darüber nach auch die Fockschot loszuwerfen. Die habe ich beim Lösen der Großschot aber verloren. Sie liegt außerhalb meiner Reichweite unten im Boot. Ich müsste also runterklettern und durch mein fehlendes Gegengewicht die Situation noch verschlimmern. Das Boot kippt weiter und weiter.
Als das Wasser über die Bordwand in den Innenraum schwappt, wird mir klar, dass das Boot nicht zu halten ist. Kurz darauf platschen wir beide ins Wasser. Das Wasser hat nur eine Temperatur von 12°C, es fühlt sich aber garnicht so kalt an. Ich habe noch meine Regenjacke an, in den durchfluteten Taschen sind meine wasserdichte Kamera und mein nicht wasserdichtes Handy. Das Boot liegt wenige Sekunden auf der Seite, dann kentert es durch und treibt mit den Schwertern nach oben im Wasser. „Scheint die Sonne auf das Schwert, macht der Segler was verkehrt“. Denk ich mir noch.
Die ganze Kenterung hat sich in wenigen Sekunden abgespielt.
Die Ixylon Jolle liegt
Aufrichtversuch 1
Wir schwimmen um das Boot und klettern beide auf den Rumpf. Den hat irgendein Voreigner mit schwarzem Weichantifouling gestrichen. Wir sehen deshalb nach kurzer Zeit aus wie die Schweine. Wir stellen uns zusammen an eins der Seitenschwerter und lehnen uns so weit wie möglich raus. Zusammen wiegen wir immerhin 160 kg. Doch das Boot bleibt gemütlich im Wasser liegen. Es ist hoffnungslos, wir geben den Versuch auf und setzen uns auf den Rumpf.
Aufrichtversuch 2
Eine Katamaran Seglerin mit Trockenanzug springt ins Wasser und hilft. Wir hängen uns zu dritt an das Schwert. Das Boot bewegt sich ein wenig. Der Bug liegt allerdings sehr tief im Wasser und verhindert die Drehung. Ich springe ins Wasser und versuche das Boot schwimmend etwas aus dem Wasser zu halten. Dadurch kommt das Boot noch etwas mehr auf die Seite.
Doch auch dieser Versuch schlägt fehl.
Warten
Die Katamaran Seglerin verspricht Hilfe in Form eines Motorboots zu schicken. Wir können nur warten. Die Sonne scheint zwar, durch den Wind wird es aber etwas kühl. Die Brustmuskulatur meines Partners pulsiert. Es sieht ein bisschen so aus, wenn man diese Elektrostimulationspads aus dem Homeshopping Kanal mit mehr Spannung betreibt.
Die Stimmung ist trotzdem gut. Wir unterhalten uns und erzählen Witze. Wir können absolut nix tun. Ab und zu kommen Boote und fragen nach, ob alles okay ist. Mich nerven besonders die altklugen Kielbootsegler älteren Semesters. „Ihr müsst zusammen auf das Schwert steigen“. Na ach ne, machts uns doch mal vor!
Und wir hatten ja noch die wasserdichte Kamera:
Unter dem Boot
Nach geschätzten 45 min wird mir die Warterei zu doof. Ich möchte etwas versuchen. Im Internet habe ich gelesen, dass man unter die Ixylon tauchen soll. Im Boot gibt es ein Luftpolster, um zu atmen. Ich bin eigentlich schon wieder trocken und warm. Trotzdem gehe ich in das kalte Wasser. Meine Hoffnung ist, dass ich das Großfall lösen kann, um das Großsegel zu bergen. Das würde den Widerstand beim Aufrichten deutlich verringern.
Ich tauche unter das Boot. Es ist stockfinster und überall hängen Leinen im Wasser. Das Luftpolster sind nur wenige cm unter der Decke. Da ich nichts sehen kann, muss ich meinen ursprünglichen Plan aufgeben. Ich greife aber (aus logisch nicht nachvollziehbaren Gründen) nach einem Paddel. Ich tauche wieder raus und bin froh die Sonne wieder zu sehen.
Diese Tauchaktion war der einzige Moment während der gesamten Kenterung bei der ich mich unwohl gefühlt habe.
Das Paddel war natürlich sinnlos. Durch die gesetzten Segel war es unmöglich das gekenterte Boot damit zu bewegen. Also weiter warten.
Aufrichtversuch 3
Ein Paddelboot kommt vorbei, um Hilfe anzubieten. Meine Idee ist, dass wir am Schwert stehen und er die gegenüberliegende Seite hoch hält. Schwimmend konnte ich bei Versuch 2 nicht viel Kraft aufbringen. Aber so ein Paddelboot hat viel Auftrieb. Der Versuch wurde durch eine Kielbootbesatzung abgebrochen: „Das bringt eh nix“. Daraufhin suchte der Paddler das Weite. Das Kielboot blieb freundlicherweise zur Beobachtung in unserer Nähe.
Motorboot 1 und Abbergung
Nach einer Stunde warten, erschien endlich ein Motorboot. Ein schwarzes Schlauchboot vom Café am Cospudener See. Die Jungs versuchen uns in Schlepp zu nehmen. Leider hat das Boot keine Befestigungsmöglichkeiten wie Klampen. Auf der Schleppleine ist zu viel Druck, um sie mit der Hand zu halten. Nach ein paar Versuchen brechen wir die Sache ab. Die Jungs wollen uns erstmal an Land bringen. Wir weigern uns anfangs gegen diese Abbergung. Schließlich sind im Heckraum vom Boot auch unsere Rucksäcke inklusive Schlüssel, Autoschlüssel, Geld, Dokumente etc. Schließlich lassen wir uns überzeugen und steigen ins Schlauchboot über. Nur fürs Protokoll: Der Kapitän verließ sein Schiff als Letzter.
Auf der Fahrt zurück zum Hafen wurde mir kalt. Auch mein Freund Alex sah nicht so glücklich aus.
Motorboot 2 schleppt ab
Im Hafen werden wir begrüßt: „Seid ihr die Leute, die gekentert sind.“ Wir haben beide klitschnasse Sachen mit schwarzen Flecken und ich noch mein Paddel in der Hand. Die Frage ist deshalb wohl eher rhetorisch. „Es war sogar schon die Polizei da. Die hat irgendeiner gerufen. Die haben kurz geschaut, sind dann aber wieder weggefahren.“.
Es stellte sich heraus, dass einer der Kielbootsegler auch Tauchlehrer ist. Dadurch hat er Zugriff auf das Motorboot der Tauschule. Ein gut motorisiertes und großes Fahrzeug. Alle werden eingeladen und schon geht es zurück zur gekenterten Ixylon. Das Abschleppen funktioniert mit diesem Boot sehr gut. Schwierig wird im Hafen. Wir wollen das Boot an einem Steg anlegen. Dieser ist aber unter Wasser mit Ketten am Grund verankert. Die Kunst ist es jetzt mit einem Tiefgang von 7 m nicht dort hängen zu bleiben und den Mast zu brechen. Nach einigen Versuchen gelingt auch das.
Aufrichten im Hafen
Ein riesiger Akt ist das Aufrichten im Hafen. Dazu hat ein Taucher 2 Leinen am Masttop angebracht. Die eine Leine wird vom Motorboot gezogen. Dadurch kommt der Mast in die Waagerechte.
Für die vollständige Aufrichtung müssen mehrere Leute am Steg an der anderen Leine ziehen und dabei auch das Boot vom Steg abhalten. Ich klettere noch auf das Schwert, um den Vorgang zu erleichtern. Trotzdem ist es ein gewaltiger Kraftakt. Der Kahn hat es sich in seiner Rückenlage so bequem gemacht, dass er garnicht wieder zurück will.
Als die Ixylon endlich aufgerichtet ist, sind alle erleichtert. Auch der Heckraum ist noch verschlossen, unser wichtiges Zeug also noch im Boot. Auch Pütz und das andere Paddel tauchten wieder auf.
Wir schöpften das Boot leer und paddeln zur Slipanlage. Auf Segeln hatten wir irgendwie keinen Bock mehr. Dort müssen wir das Boot nochmal auf die Seite legen, um die Leinen vom Taucher wieder aus dem Masttop zu entfernen.
Slippen der Jolle
Als das Boot einigermaßen leer geschöpft ist, können wir einen Blick in den Heckraum riskieren. Der ist eigentlich wasserdicht und hat eine Dichtung. Mir war aber schon klar, dass sich aufgrund der langen Liegezeit, das Wasser einen Weg gefunden hatte. Innen stand etwa 10 cm Wasser. Genug um unsere Rucksäcke einzuweichen und das Handy von meinem Freund zu schrotten.
Das Boot hat ein enormes Gewicht und lässt sich nur mit größter Mühe mit dem Slipwagen bergen. Als Alex den Lenzstopfen am Heck öffnet, ergiesst sich ein minutenlanger Wasserschwall aus den Auftriebstanks und dem Doppelboden. Wir schätzen, dass es mehrere hundert Liter Wasser waren. Ich bin froh, dass ich die vorderen Auftriebstanks mit leeren Kunststoffflaschen gefüllt habe. Eventuell hat das ein weiteres Absinken verhindert. Das viele Wasser in den Auftriebstanks ist auch die Erklärung dafür, dass wir beim Aufrichten soviel Mühe hatten. Aber wie das Wasser dort rein kam? Da muss ich auch noch forschen.
Insgesamt hat die Bergung ca. 4 h gedauert.
Fazit
Wir haben an Verlusten erlitten: Zwei Handies, Tauwerk, Schuhe und meine Segler-Ehre. Sowohl Crew als auch Boot sind unversehrt.
Ich werde mich darum kümmern, dass ich im Bug Auftriebskörper installiere. Auch eine wasserdichte Tasche mit einer Schwimmbrille, Taschenlampe, Traubenzucker und Rettungsdecken ist eine einfach zu realisierende Maßnahme.
Wie es aber zu der eigentlichen Kenterung kam, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Ich segle das Boot seit 3 Jahren sehr regelmäßig. In der Zeit bin ich auch bei sehr viel Wind draußen gewesen und bin nie gekentert. Sogar eine Windstärke 6 war dabei.
Es lehrt mich wieder, dass man ständig aufmerksam sein muss. Und vielleicht lassen sich manche Dinge gar nicht verhindern?
Achja und den Jungs von der Tauchschule schulden wir zwei Kästen Bier.
4 Comments
[…] Kurzem sind wir mit meiner Ixylon Jolle auf dem Cospudener See gekentert. Das war nicht nur sehr peinlich, sondern auch fürs Material eine große Belastung. Mit stehenden […]
[…] Ixylon sehr gut. Es ist ein sehr gutmütiges Boot, man muss schon eine Menge falsch machen, um zu kentern. Da er aus Dresden kommt und ich aus Leipzig, war die Anreise auch kein Problem. Dresdner und […]
[…] Jahres wollte ich nichts riskieren. Auch der Skipper muß erstmal wieder reinkommen. Nach meiner Kenterung im letzten Jahr gehe ich es lieber etwas vorsichtiger […]
[…] Eines schönen Abends letzte Woche war ich mit einem Segelfreund auf dem Wasser. Eben jener Freund mit dem ich damals in der Ixylon gekentern bin. […]